Wohldefinierte Muskeln, jugendliche Figur, kein Gramm Fett zu viel – die Googlesuche liefert Bilder zu Yoga, die keinen Zweifel lassen: Yoga formt den perfekten Körper, macht jung und deswegen glücklich. Dazu noch ein Schuss Spiritualität und fertig ist die perfekte Sportart für den perfekten auf Schönheit und Leistung getrimmten modernen Menschen auf Sinnsuche.
Alt, dick, ungelenkig? Dann scheint Yoga nach diesem Bild wohl kaum infrage zu kommen. Wer traut sich mit über 100 Kilogramm Körpergewicht in eine Yogastunde? „So jemand wird schnell mal zum Schwangerschaftsyoga geschickt“, berichtet Yogalehrerin Dörte Kuhn von den Erfahrungen ihrer Schüler. Kuhn hat in Hamburg die Marke „Kurvenreich-Yoga“ entwickelt und bietet geschlossene Gruppen für übergewichtige Menschen an. „Es geht mir nicht darum, meine Teilnehmerinnen körperlich zu verbessern, nicht einmal, sie zu verändern“, sagt Kuhn.
Etwa 2,6 Millionen Menschen in Deutschland machen Yoga
Yoga sei Selbstakzeptanz, nicht Selbstverbesserung. „Ich sage zu meinen Teilnehmerinnen nicht, dass eine Übung kommt, bei der sie mit den Händen ihre Zehen berühren müssen, sondern es kommt eine Übung, bei der es spannend sein wird, was auf dem Weg nach unten passiert.“ Beim Yoga gehe es darum, in sich hineinzufühlen, sich selbst annehmen, respektieren und akzeptieren zu können. Und es soll den Körper, Geist und die Seele in Einklang bringen.
Yoga kommt aus Indien und das Wort aus dem Sanskrit übersetzt heißt Joch (welches den Körper einspannt). Etwa 2,6 Millionen Menschen praktizieren in Deutschland Yoga – überwiegend sind es Frauen. Und nach Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen ist es die viertpopulärste Sportart in Deutschland. Yoga ist für alle Menschen da und mehr als nur eine Sportart. Corinna Degenhardt, 52, Yogalehrerin beim Altrahlstedter Männerturnverein (AMTV), hat es gerade durchs Yoga geschafft, den Blick auf etwas anderes als den Körper zu richten: „Yoga hat mich endlich wieder daran erinnert, dass wir noch etwas anderes sind als nur Körper, denn gerade nicht die äußere Form, sondern das innere Erleben zählt beim Yoga.“
Die Gruppe von Corinna Degenhardt beim AMTV ist komplett gemischt. Die Teilnehmer sind zwischen 18 und 80 Jahren alt. „Jeder Körper ist anders, jeder hat andere Möglichkeiten“, sagt Corinna Degenhardt. „Häufig haben die schlaksigen 18-Jährigen weniger Selbstvertrauen und die über 70-Jährigen haben Geist und Körper mehr im Einklang, weswegen sie sich besser bewegen können.“
Christel Helbig, die beim AMTV inzwischen dreimal die Woche Yoga macht, wusste sofort nach einer Schnupperstunde: „Yoga ist es!“ Sie macht auch zu Hause zwischendurch Atemübungen, wenn viel Stress ist, und kommt so schnell wieder zu sich. „Mir ging es gesundheitlich nicht so gut vor fünf Jahren. Seitdem ich Yoga mache, bin ich viel kräftiger geworden und habe eine bessere Körperhaltung. Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich eine innere Ruhe dadurch finde. Ich lebe allgemein viel bewusster, was sich zum Beispiel auch auf meine Ernährung ausgewirkt hat“, erklärt Helbig.
Entspannung ist die eine Seite von Yoga, doch die Halstenbeker Yogalehrerin Ute Meyer ist überzeugt, dass sich Yoga auch auf das hormonelle System auswirken kann. Sie bietet zum Beispiel in ihrem Seminaren Hormon-Yoga an, entwickelt von der Brasilianerin Dinah Rodrigues. Es soll typische Beschwerden in den Wechseljahren wie Schlafstörungen, Hitzewallungen oder depressive Verstimmungen lindern, aber auch bei unerfülltem Kinderwunsch helfen. „Die einzelnen Übungen sind darauf ausgerichtet, das weibliche Drüsen- und Hormonsystem anzusprechen und somit auf natürliche Weise die Hormonproduktion anzuregen“, sagt Ute Meyer.
Eine sehr wirkungsvolle Art und Weise, um den Körper und die Organe zu kräftigen, sind die Hatha-Yoga-Übungen der Achtsamkeitsmeditation von Jon Kabat-Zinn. Sie sind auch geeignet für viele Menschen, die erkrankt sind oder waren.
Denn oft ist an Sport zunächst nicht mehr zu denken nach einer Operation oder bei dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen. Viele Kranke nehmen dann eine Schonhaltung ein und fordern ihren Körper kaum noch. Um Schritt für Schritt wieder in Form zu kommen, eignet sich Yoga hervorragend, weil bei regelmäßigem Training die Übungen nach und nach intensiviert werden können und man sich dabei – und danach erst recht – wohlfühlt. Denn es geht darum, auf die eigenen Grenzen zu achten, sich trotzdem zu bewegen, zu dehnen und wieder zu entspannen.
Atem- und Konzentrationsübungen gehören zum Yoga genauso wie viele andere Bereiche. Yogalehrerin Dörte Kuhn erläutert die acht Stufen im Yoga, wie sie von Patanjali beschrieben werden. Da geht es auch um Empfehlungen zur Lebensführung und zum Umgang mit anderen. „Eigentlich bezieht sich nur eine Stufe auf die wirklich körperlichen Übungen und ich nehme mir doch ganz viel weg, wenn ich das Yoga nur auf diese eine Stufe beschränken würde“, meint sie.
Auf der yogafair gibt es kostenlose Workshops zum Ausprobieren
Karen Beigel vom Verband für Turnen und Freizeit (VTF) und Verantwortliche für die yogafair Messe in Hamburg rät dazu, Yoga einfach einmal auszuprobieren. „Quasi in jedem Hamburger Stadtteil gibt es mindestens einen Turn- und Sportverein, in dem Yoga qualifiziert und kostengünstig angeboten wird.“
Daher bietet der VTF auch auf seiner Homepage unter www.vtf-hamburg.de einen „Sportfinder“ an, bei dem unter dem Stichwort „Yoga“ die entsprechenden Vereinsangebote nach Stadtteilen angezeigt werden.
Die yogafair Messe findet am 19. September von 10 bis 19 Uhr und am 20. September von 10 bis 17 Uhr in der Bundesstraße 96 statt. Der Eintritt ist frei und es gibt kostenlose Workshops. Infos: messe.yogafair.de
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