Aktion

Schüler werden Firmenbosse

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Ann-Britt Petersen
Projekt "Futurepreneur". Schüler der Stadtteilschule St Georg verkaufen ihre Geschäftsideen auf der Straße. vlnr: Michelle (17), Jacqueline (16), Bernadette (16), Sinen (16)

Projekt "Futurepreneur". Schüler der Stadtteilschule St Georg verkaufen ihre Geschäftsideen auf der Straße. vlnr: Michelle (17), Jacqueline (16), Bernadette (16), Sinen (16)

Foto: Patrick Piel

Beim Projekt „Futurepreneur“ können Jugendliche eigene Geschäftsideen entwickeln und direkt praktisch umsetzen.

Noch etwas vorsichtig sprechen Puja, Cansu und Saba auf der Langen Reihe ein älteres Ehepaar an. „Wir machen in der Schule gerade ein Projekt, da ist man sein eigener Boss“ sagt Puja, 15. Die Schülerinnen wollen selbstgebastelte Lesezeichen und Badepulver verkaufen. Sie haben große Plakate gestaltet, auf denen sie für ihre Produkte werben. Und sie haben an diesem verregnetem Vormittag Erfolg, das Ehepaar kauft ihnen etwas ab.

Um genau dieses Erfolgserlebnis geht es bei den Programmen von „Futurepreneur“. Der Verein möchte Jugendliche ab 13 Jahren in ihrem Unternehmergeist bestärken. Dazu geht der Verein in Schulen, Jugendzentren oder Kirchengemeinden. „Junge Menschen sollen die Chance bekommen, mit einer persönlichen Geschäftsidee in der Realität das erste Geschäft ihres Lebens zu machen“, sagt die Gründerin Kerstin Heuer. Das Ziel sei aber nicht das Verkaufen, sondern die Motivation zum aktiven Handeln. „Die Jugendliche sollen ihre eigenen Handlungsspielräume erkennen, damit sie das Leben in die Hand nehmen und selber gestalten“, sagt Heuer. Für dieses Ziel steht auch der etwas kompliziert wirkende Name des Vereins. Er leitet sich ab vom englischen Wort für Zukunft „Future“ und dem französischen Wort „entrepreneur“, das mit Unternehmer nur unzureichend übersetzt sei, sagt Kerstin Heuer. „Es geht um mehr, als nur den klassischen Firmenboss. Der Begriff enthält auch das Ausprobieren und Umsetzen von neuen Ideen“, sagt die Expertin, die mehrere Jahre in der Gründungsberatung für klein- und mittelständische Unternehmen tätig war, bevor sie den Verein gründete.

So kamen auch die Zehntklässler der Stadtteilschule St. Georg, mit denen sie eine Woche lang nach der Leitlinie „Ich bin der Boss“ arbeitete auf ganz eigenständige Ideen. „Wir haben uns überlegt, was können wir machen, was auch für andere von Nutzen ist“, sagt Sinem, 16. Sie und Jacqueline, ebenfalls 16, haben eine Liste mit mehreren Tipps für einen besseren Schlaf zusammengestellt. „Wir haben unsere eigenen Erfahrungen und auch Tipps von Freunden und Verwandten aufgeschrieben“, sagt Jacqueline. Die Tipps gibt es zusammen mit einem Schlaftee. Passend zur Idee schlendern sie in Schlafanzug und mit Schlafbrille bekleidet durch die Lange Reihe. Unterstützt werden sie von Michelle, 17 und Bernadette, 16, die selbstgemachten Lippenbalsam und Süßigkeiten für die Seele verkaufen.

„Welche Ideen die Jugendlichen am Ende eines Workshops entwickelt haben, überrascht uns selbst auch immer wieder“, sagt Kerstin Heuer. Vier Tage hatte sie mit der Klasse gearbeitet. Am ersten Tag standen Brainstorming und Kreativitätsübungen auf dem Plan, am zweiten Tag kamen Unternehmer aus der Wirtschaft in die Klasse und stellten sich den Fragen der Schüler. Am dritten Tag erarbeiten die Jugendlichen ihre eigenen Geschäftsideen. „Wir sollten 30 Vorschläge machen und uns dann für eine Idee entscheiden“, sagt Selin,11. Am vierten Tag werden die Ideen dann in die Tat umgesetzt. Selin hat zusammen mit ihren Klassenkameraden Musa, Onur, und Turan das Team „Reiseführer“ gebildet. „Wir sind durch die Restaurants an der Langen Reihe gegangen und haben uns Visitenkarten besorgt“, sagt Turan. Die haben die Jugendlichen auf jeweils eine Seite in kleine Hefte geklebt und dazu noch Merkmale und Öffnungszeiten des jeweiligen Restaurants aufgeschrieben. Entstanden ist ein Mini-Führer mit elf verschiedenen Adressen. Mit acht selbstgefertigten Exemplaren postierten sie sich vor dem Hauptbahnhof und verkauften dort drei Exemplare, später an anderer Stelle noch zwei weitere. „Das macht schon Spaß und wir haben auch ein wenig Werbung für die Lange Reihe gemacht“, sagt Selin stolz. Den Gewinn dürfen die Schüler der jeweiligen Teams behalten.

Die Jugendlichen müssen keine Vorkenntnisse haben. Bei diesem Konzept des handlungsbasierten Lernens, das Kerstin Heuer in Schweden kennengelernt hat, können die Schüler „mit den Ressourcen, mit denen sie leben, loslegen und etwas bewegen.“ Sei mutig und mache, lautet das Motto. „Sie lernen am besten an dem, was sie selber ausprobieren“, so Heuer. Fehler gebe es dabei nicht, aber die Erfahrung, dass beim Scheitern von Plan A, ein Plan B entwickelt werden kann. „Die Jugendlichen bekommen Anstöße zur Eigeninitiative und erfahren ihre Selbstwirksamkeit.“ Das mache sie stark für die Gestaltung ihres Lebens.

Um ihre Projekte zu finanzieren, ist die bereits ausgezeichnete Privatinitiative „Futurepreneur“ auf Spenden angewiesen. Neben viertägigen und eintägigen Workshops bietet der Verein auch die „Sommerunternehmer“ an. Hier können 14- bis 19-Jährige eigene Ferienjobs entwerfen und damit Geld verdienen. „Unter professioneller Anleitung entwickeln sie ihre Geschäftsidee, sie erhalten ein Startgeld und werden während der Projektzeit begleitet“ so Heuer. Die Auftaktwoche startet am 3. August an Osdorfer Born und in Wilhelmsburg. Interessierte Jugendliche sollten sich schnell anmelden, es gibt noch Restplätze.

Kontakt: Luisa Gräve, Tel. 63 69 10 86, E-Mail:
sommerunternehmer@futurepreneur.de. Infos zum Verein: www.futurepreneur.de, Tel. 24 18 39 74