Diese Woche war ich auf der Verabschiedung von Wolfgang Sielaff, dem Hamburger Landesvorsitzenden des Weißen Rings. Die Organisation kümmert sich sehr engagiert um Opfer von Gewalttaten. Sielaffs Rede hat mich sehr berührt, als er sagte, dass es nicht angehen könne, dass das Wort „Opfer“ unter Jugendlichen ein Schimpfwort sei. Tatsächlich sind die meisten Opfer jung und männlich. Das sind diejenigen, die von anderen abgezogen oder gemobbt werden – direkt oder im Internet. Und die sich dann niemandem anvertrauen, aus Angst, auch noch öffentlich als Opfer dazustehen. Opfer zu sein bedeutet in den Augen von jungen Menschen offenbar, schwach, ein Versager und womöglich selbst schuld an der Situation zu sein.

Aber das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass es unter Jugendlichen offenbar besser ist, ein Täter zu sein. Also einer, der andere quält und niedermacht. Das ist doch eine komplett verkehrte, fatale Ansicht. „Wer Schwäche zugibt, ist stark“, hat Innensenator Michael Neumann (SPD) in seiner Rede gesagt. Das finde ich auch.

Deswegen wünsche ich mir sehr, dass Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, wenn die wieder sagen: „Ey, ich bin doch kein Opfer.“

Ihre Sabine Tesche