Viele Jugendliche in unserer Stadt wachsen in einer Art Kokon auf, mit gutbürgerlichem Elternhaus, einem Freundeskreis, der ähnlich strukturiert ist, und in einem Stadtteil, der geprägt von Wohlstand ist. Das ist ein großes Glück für diese Jugendlichen, aber sie können sich so nur schwer ein Bild von Menschen machen, die in ganz anderen Lebenswelten aufgewachsen sind.

Deswegen finde ich Programme wie das des Vereins Integrationshilfen, der Schüler und Haftentlassene zusammenbringt, großartig, genauso wie Zeitzeugen-Gespräche, bei denen ältere Menschen über die Nazi- oder DDR-Zeit erzählen. Denn die Jugendlichen werden dabei mit einer Realität konfrontiert, die sie aufrüttelt, die sie vielleicht nur aus dem Fernsehen kennen und nie an sich herangelassen haben. In der direkten Begegnung erfahren sie, wie es ist, außerhalb der Gesellschaft zu sein oder eine Kindheit erlebt zu haben, die von Gewalt oder Terror geprägt war. Und sie können darauf reagieren, nachfragen und womöglich Vorurteile abbauen. Vielleicht wertschätzen sie nach so einem Gespräch ihre eigene Lebenssituation und ihr Elternhaus noch mehr als vorher.

Ihre Sabine Tesche