Die Hamburger Tafel bietet Kochkurse für Menschen mit wenig Geld an. Es geht um gesundes Essen, aber auch um neue Kontakte

Manchmal bezeichnet sich Andrea als Überlebenskünstlerin. Manchmal als Kostenfaktor. Je nach Stimmungslage. Wenn andere fragen, was sie macht, sagt sie: "Ich bin Apothekenhelferin, Bürokauffrau und Sozialwirtin. Ich bin Tresenschlampe. Ich bin arbeitslos." Andrea ist 45 Jahre alt. Sie hat einen Kater, der Herr Lehmann heißt. Sie hat eine dunkle Wohnung, 40 Quadratmeter groß. Sie hat ein abgeschlossenes Studium, Berufserfahrung und sie bekommt Hartz IV. Sie sagt: "Ich habe etwa 100 Euro für Lebensmittel im Monat." Sie sagt das laut, sodass es alle in der Küche der evangelischen Familienbildung hören können. Die anderen nicken. Günter und Faketa und Katja und die, die ihren Namen nicht nennen möchten. Sie kommen regelmäßig am Mittwochabend hier zusammen, um gemeinsam zu kochen. Um zu lernen, dass sie auch mit wenig Geld gute, gesunde Mahlzeiten zubereiten können. Regelmäßig bietet die Hamburger Tafel gemeinsam mit anderen sozialen Einrichtungen diese sogenannten Kochkurse für (junge) Eltern an, die trotz kleinen Budgets für eine gesunde, vollwertige Ernährung ihrer Familie sorgen wollen. Für Menschen, die vom Staat leben, die Ersatzleistungen beziehen, wie sie es nennen. Weil das besser klingt als Hartz IV oder Frührente.

Günter ist einer der Väter im Kursus. Er war als Pharmareferent gut im Geschäft. Bis er plötzlich seinen Job verlor. Da war er 55 Jahre alt. Die Familie zerbrach. Und plötzlich musste er lernen, im Supermarkt auf die Preise zu schauen. Und aus wenig viel zu machen. Günter meldete sich bei einem der Kochkurse der Hamburger Tafel an. Seinen Sohn Vincent nahm er mit. Oder Faketa Korkutovic, die eigentlich Erzieherin ist. Und in deren Leben zu viele Schläge das Schicksal bestimmt haben. Erst verlor die Bosnierin im Krieg ihre halbe Familie, dann floh sie vor ihrem Ehemann aus Schleswig-Holstein nach Hamburg. Weil sie hier keine Wohnung findet, lebt sie zur Untermiete bei einer älteren Dame auf der Veddel. Sie klagt nicht. "Das Nötigste hat man doch", sagt sie. Nur soziale Kontakte, die fehlen. Darum ist sie hier. Weil sie Menschen kennenlernen möchte, mit denen sie gemeinsam kochen kann, essen und reden. "Ich sehe das hier als Weiterbildung", sagt Faketa, die derzeit wegen Burn-outs arbeitsunfähig ist. Wenn es ihr besser geht, möchte die 39-Jährige in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung durchstarten. Sie möchte mit ihnen den Alltag gestalten und ihnen zeigen, wie man gut und günstig kocht. Das nämlich lernt sie hier.

Fünf Abende dauert der Kochkursus, alle halbe Jahr startet eine neue Gruppe. Drei Stunden dauert eine Kurseinheit. In dieser Zeit zeigen Kursleiterin Sonja Zimmerschitt und Susanna D'Amato den Teilnehmern, wie man aus guten und günstigen Zutaten ein leckeres Drei-Gänge-Menü zaubern kann. Die beiden Frauen machen das ehrenamtlich, weil sie auf diese Weise anderen etwas geben können. Zeit und Zuwendung, Wissen und Erfahrung. An diesem Mittwoch bereiten die zwölf Teilnehmer Gurkensalat mit Joghurt-Dill-Soße, Kräuterbrötchen, Kartoffel-Kohlrabi-Suppe und Rhabarberquark zu. Die Zutaten sind eine kostenlose Spende des Großmarkts. Die Rezepte kommen von der Hamburger Tafel. Jedes Gericht reicht für vier Personen. "Die Zutaten würden im Supermarkt etwa acht Euro kosten", hat Sonja Zimmerschitt ausgerechnet. Das macht pro Person und Menü zwei Euro.

Zwei Stunden haben die Teilnehmer zur Zubereitung der Speisen. Eine Stunde gehört dem gemeinsamen Verzehr. Gearbeitet wird an vier komplett ausgestatteten Küchenzeilen. Das frische Gemüse reicht für den Abend sowie für eine weitere Mahlzeit daheim. Jeder Teilnehmer darf sich anschließend die Taschen füllen. "Für manche Teilnehmer ist es das erste Mal, dass sie richtig kochen, ohne nur Tüten aufzuschneiden und Dosen zu öffnen", sagt Sonja Zimmerschitt. "Ich habe hier Menschen kennengelernt, die noch nie eine Möhre in der Hand hatten."

Die Kochkurse richten sich vor allem an junge Eltern mit wenig Geld. Menschen, die nicht ausgerechnet beim Essen anfangen sollten zu sparen. Kommen aber kann jeder, ob alt, ob jung, mit oder ohne Kinder. Fünf Euro kostet der Kursus für fünf Abende. Kinder können mitkochen oder werden in den Räumen der Familienbildung betreut. Gegessen wird gemeinsam am schön gedeckten Tisch. Sonja Zimmerschitt, die eigentlich in der Filmproduktion arbeitet, weiß, wie wichtig es ist, gerade in Familien mit Kindern, dass gut und gesund gekocht wird. Ziel ist, den Teilnehmern zu zeigen, was die saisonale Küche bietet und wie sie mit wenig Geld viel Gesundes auf den Tisch bringen können. Sie lernen darüber hinaus, dass sich auch aus vermeintlichen Küchenabfällen leckere Gerichte zubereiten lassen. "Kohlrabiblätter in Knoblauch und Öl angebraten schmecken wie Mangold", sagt Zimmerschitt, die auch vermitteln will, wie wichtig gemeinsame Mahlzeiten sind. "Wir hatten hier schon mal ein kleines Mädchen, das noch nie mit anderen an einem Tisch gegessen hat", erzählt sie. "Am Anfang traute sich die Kleine kaum auf den Stuhl. Am Ende saß sie aufrecht am Tisch und hat das Gemeinschaftserlebnis genossen."