Psychotherapeutin Angelika Kaddik schreibt über Gefühle von Trauer und Schmerz nach dem Tod ihres Bruders

Hamburg. "Trauer hat viele Gründe und viele Gesichter. Jeder Verlust schmerzt auf seine Weise und kann nur auf ähnlich persönliche Weise betrauert werden", das hat die Hamburgerin Angelika Kaddik in ihrer beruflichen Arbeit erlebt und erfahren. Sie arbeitet als Psychotherapeutin in eigener Praxis, leitete jahrelang eine Beratungsstelle für Frauen, die sexualisierte Gewalterfahrung gemacht haben, und hat sich ehrenamtlich in der Aids-Hilfe betätigt. Sie war immer mit dem Thema Tod und Trauer in Berührung. Doch erst durch den Tod ihres Bruders vor einem Jahr hat sich ihr Leben noch einmal verändert, wie sie schreibt.

"Meine Schwester rief mich an", erinnert sich Angelika Kaddik, "um mir zu sagen, dass unser Bruder gestorben ist. Ich fühlte erst einmal nichts. Ich erlebte nur meine Mutter und ihren kaum auszuhaltenden Schmerz um ihren Sohn. Es hat noch Tage gedauert, bis die Nachricht wirklich in mir ankam. Ich fühlte mich wie eine Zwiebel, der man täglich ein Stück weitere Haut abzieht. Ich wusste ja, wie Trauer sich anfühlt, aber diesmal war trotzdem etwas anders. Es fühlte sich an, als wäre ein Stück meiner Kindheit mitgestorben. Teilweise fühlte ich mich wie hohl und wurde dann plötzlich von einer Minute auf die andere von Weinkrämpfen geschüttelt. Ich wusste nicht, wohin mit mir und diesen Gefühlen, die auch körperlich durch unterschiedlichste, für mich beängstigende Symptome zu spüren waren. Ich wollte allein sein und nicht reden müssen und hatte trotzdem ein großes Bedürfnis nach Nähe. Ich sah die Blicke der Leute auf der Straße, die mich kennen. Und ich wünschte mir, dass sie wissen, was mit mir ist, ohne dass ich etwas sagen müsste. Ich fühlte mich wund, ängstlich und unsicher. Ich wollte getröstet werden und im gleichen Moment meine Ruhe haben.

All mein theoretisches Wissen um Trauer und Trauerbewältigung war in diesem Moment für mich nicht mehr abrufbar. Ich wünschte mir einen Schutzraum für meine Mutter und mich und Sicherheit in diesem Gefühlschaos.

Irgendwann erinnerte ich mich an meine Arbeit für die AIDS-Hilfe und an die rote Schleife: "Red Ribbon" ist ein Zeichen, das für "etwas" steht, und alle, die die Schleife tragen, wissen, worum es geht. Es ist nicht wichtig, ob ich - in welcher Form auch immer - selbst betroffen bin oder mich solidarisch zeige. Das Erkennen des Symbols ist wichtig und die Erkenntnis: Du bist nicht allein, ich weiß, worum es geht. So wünschte ich mir, in meiner Trauer auch gesehen und erkannt zu werden, ohne mich erklären zu müssen. Wie aber Trost und Mitgefühl empfangen, wenn Trauer unsichtbar bleibt? Ein neues Symbol voller Schönheit und Würde soll dies ändern: die Trauerperle.

Als ich mir eines Morgens meine Perlenohrringe anzog, dachte ich daran, dass Perlen für Tränen stehen und ganz plötzlich hatte ich das Wort "Trauerperle" in meinem Kopf. Eine Perle als Symbol der Trauer. Ein Zeichen dafür, dass man in einer "Ausnahmesituation des Lebens" ist, aber auch ein Symbol der Solidarität (z. B. auf Beerdigungen), um zu zeigen: Du bist nicht allein. Ich trauere mit dir. Ich bin an deiner Seite.

Mit einer Schmuckdesignerin habe ich endlich das passende Material und Design für die Perle gefunden. Trotz der Schwere der Trauer bin ich sehr dankbar dafür, dass ich mit meiner Trauer auch kreativ umgehen, mich noch mal auf eine ganz andere Weise mit dem Thema Tod, ja, mit meinem eigenen Tod, auseinandersetzen kann.

Die Trauerperle aus Onyx wird am Revers der Kleidung getragen und zeigt an, dass man sich in einer schweren Lebenssituation befindet. Trauer und Verlust können so wieder dezent und dennoch klar sichtbar gemacht werden.

Zu der eigenen Trauer stehen zu dürfen tut wohl. Mitgefühl und Trost von denen zu empfangen, die die Botschaft der Perle verstanden haben, gibt Kraft und schafft auch ein Gefühl der Verbundenheit.

Und ich schreibe an einem Trostbuch, denn ich habe für mich festgestellt, dass nur Trost tröstet, so wie ich es auch bei meiner Mutter erleben darf.

Ich möchte Angehörige, Freunde, Kollegen und Nachbarn ermutigen, auf Trauernde zuzugehen, da zu sein, auch wenn sie vielleicht in dem einen oder anderen Moment nicht das Gefühl haben, willkommen zu sein. Trauernde brauchen Unterstützung, selbst, wenn sie keine Kraft haben, um Hilfe und Trost zu bitten. Trauer braucht seine Zeit. Das Tragen der Perle kann wie ein Anker des Trostes sein."

www.angelika-kaddik.de und www.trauerperle.de