“Sie ist Zentrum unserer Menschlichkeit“, lautet das leidenschaftliche Plädoyer des Psychotherapeuten Dr. Böschemeyer

In unserem Freundeskreis hatten wir eine heftige Diskussion über Gefühle und die Liebe. Ich verteidigte sie als eine wunderbare Kraft, ein Gefühl, nach dem sich jeder Mensch sehnt. Und versuchte, ein junges Paar davon zu überzeugen, dass viel Leid in unserer Welt, in unserer Gesellschaft auf mangelnde Liebe zurückzuführen sei. Und wir, jeder Einzelne, wieder lernen müssen, Liebe gegen Hass und Kälte einzusetzen. Ich erntete von zwei jungen Karriere-Leuten höhnisches Gelächter. Sie sagten, unsere Welt brauche Vernunftmenschen, Gefühle seien eine Gefahr, etwas für Menschen, die unsere Welt mit all ihren extrem gewachsenen Anforderungen nicht voranbringen können. Habe ich unrecht?

Doris D., 33

Die Antwort gibt der Psychotherapeut Dr. Uwe Böschemeyer:

Unter allen Spuren dieses Lebens, die zu uns selbst führen, gibt es keine, die unmittelbarer in unsere Mitte führte als die Liebe. Und doch scheint es, als habe diese Königin der Gefühle und Gefühlskräfte nur noch wenig Daseinsrecht in dieser Welt. Dabei brauchen wir in dieser Zeit nichts mehr als ein vertieftes Verständnis für die Liebe, weil wir ohne sie nicht mehr wirklich leben können angesichts der vielfältigen Formen des Unsinns und Irrsinns, von denen wir Tag um Tag hören. Denken Sie zum Beispiel an die nicht enden wollenden Kriege, an die millionenfachen Depressionen oder an den ständigen Streit derer, die uns regieren.

Nein, angesichts der gegenwärtigen vielfältigen Bedrängnisse und Bedrückungen hilft nicht allein die Entwicklung persönlicher "Ich-Stärke", nicht allein positives Denken und schon gar nicht dies: einfach wegzusehen von den Feldern, auf denen der Wahnsinn blüht.

Ja sagen zu diesem Leben mit all dem, was uns zu schaffen macht, können wir nur dann, wenn wir die Liebe wiederentdecken und sie als die Grundlage für gelingendes, beglückendes, sinnvolles Lebens begreifen. Was ist die Liebe? Liebe ist mehr als ein warmes Gefühl, mehr auch als Verantwortung. Sie ist die stärkste und beglückendste Gefühlskraft, die Leib, Seele und Geist umfasst. Sie ist auch die stärkste und beglückendste Haltung und Einstellung dem ganzen Leben gegenüber. Sie ist der wichtigste Wert, der einzig normative Wert, das spezifisch Menschliche schlechthin.

Von daher wird der berühmte Augustin-Satz verständlich: "Liebe, und dann tue, was du willst." Und ein wichtiger Mann unserer Zeit, Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie, antwortete in einem Interview auf die Frage, was denn Liebe aus neurobiologischer Sicht bedeute, sie sei die einzige Form von Beziehung, die Entwicklung ermögliche. Und dann sagte er einen Satz, der uns alle hellwach machen sollte: "Wenn man der Frage nachgeht, woher die Angst (in unserer Zeit) kommt, stellt man fest: Die Angst kommt aus Beziehungen. Wenn man dann nach dem besten Heilmittel fragt, kommt man sehr schnell zu der Frage, wo denn die Liebe geblieben sei."

Kann man lernen, selber zu lieben? Kann man etwa auch die unterentwickelte oder verschüttete Liebe (wieder) zum Vorschein bringen? Man kann. Man sollte sich jedoch zuvor bewusst machen und daraus konkrete Schlüsse ziehen, dass der Widerstand gegen das Lieben - darauf wies der bedeutende Psychologe C. G. Jung hin - die eigentliche Ursache für die Unfähigkeit zur Liebe ist. Kann man lernen, selber zu lieben? Ja, weil Liebe als reale Möglichkeit zu jedem Menschen gehört. Weil sie Zentrum unserer Menschlichkeit ist. Weil sie unser Innerstes ausmacht. Zwar kann man sie übersehen, verleugnen, verdrängen. Man kann so tun, als sei sie nichts als "Gefühlsduselei". Man kann aufhören, sie zu suchen. Doch wann immer das geschieht, verschließt sich die Seele dem großen Glück.

"Über die Liebe und wie man sie lernt" spricht Dr. Böschemeyer am 14. Dezember um 19 Uhr im Gemeindehaus von St. Michaelis, Krayenkamp 4. Im letzten Teil des Vortrags wird er über wesentliche Bedingungen gelingender Partnerschaft sprechen, nicht über Techniken und Methoden, sondern über die Einstellung und die Liebesfähigkeit dem anderen gegenüber.

Karten ab Montag unter der Rufnummer 04131/40 38 44 und an der Abendkasse ab 18 Uhr, Eintritt 10 Euro.

Uwe Böschemeyer, Psychotherapeut, Leiter des Hamburger Instituts für Logotherapie und Rektor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsbildung Salzburg