“Sie haben multiple Sklerose“, sagte der Arzt. 2700 Menschen sind in Hamburg betroffen. Auch Barbara Reindl.

Das Schicksal schlägt zu, plötzlich und unerwartet, und es kann jeden von uns treffen. Barbara Reindl hat es getroffen. Und dennoch sieht sie ihre Zukunft "bunt, voller Pläne und Projekte. Nur", sagt sie, "weil ich eine 'Behinderung' habe, hört mein Leben ja nicht auf."

2008: Barbara Reindl trainierte für einen Halbmarathon, litt plötzlich unter starken Schmerzen in Füßen und Beinen und suchte einen Orthopäden auf. Er fand nichts. Ihre Hausärztin überwies sie zu einem Neurologen mit Schwerpunkt MS.

Barbara Reindl erinnert sich schmerzhaft: "Seit 40 Minuten liege ich bereits bewegungslos in der engen, mich mit stampfenden und schlagenden Rhythmen bombardierenden Röhre, genannt Magnetresonanztomograf (MRT). Dann die Diagnose des Radiologen: 'Es ist ganz eindeutig, Frau Reindl, Sie haben multiple Sklerose .' "Erst langsam, dann erdrutschartig bricht meine Welt auseinander. Seitdem sortiere ich, baue um, erfinde mich neu. Und - setze mich mit 'meiner' Erkrankung auseinander."

Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Die Leitfähigkeit der Nervenbahnen wird durch Entzündungsprozesse geschädigt. Dadurch wird eine mannigfaltige und fortschreitende Symptomatik hervorgerufen: Sensibilitäts- und Sehstörungen, Spastiken, Blasenschwäche, chronische Erschöpfung (Fatigue) und vieles mehr. MS bedeutet nicht zwangsläufig Rollstuhl, die Krankheit gilt jedoch bislang als unheilbar.

Allein in Deutschland sind circa 130 000 Menschen davon betroffen, etwa 2700 in Hamburg. Viele Betroffene bedeuten intensive Forschung. Das gibt Hoffnung. "MS heißt für mich Selbstmanagement auf höchster Ebene. Antragsformulare auszufüllen gehört zu meinem Alltag. Und wie ein Manager brauche ich einen Helferstab. Ohne Freunde, Anlaufstationen wie die DMSG und den Sozialverband sowie meine engagierte Ärztin, ist das nicht zu leisten. Ich entdecke das Malen für mich als kreatives Ventil. Meine erste Ausstellung hatte ich im letzten Jahr zusammen mit einer Freundin zum Thema: 'Kreativität als heilende Kraft'. 2011 nehme ich an einer Ausstellung teil: 'Behinderung und Würde'.

Die eigene Erkrankung anzunehmen, sie nicht als Behinderung in der gesellschaftlich ausgrenzenden Bedeutung zu sehen, sondern als eine Begrenzung, die mich zum Umdenken, Neudenken zwingt, ist eine tägliche Herausforderung. Selbst der Rollstuhl ist mir inzwischen nicht mehr Sinnbild für Abhängigkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit, sondern ein möglicher Freund, der mich befähigt, meinen Aktionsradius zu erweitern.

'Ich habe das Recht, alleine hinzufallen!', herrsche ich meine Freundin an, die mich in ihrer gut gemeinten Fürsorge mal wieder nach Hause begleiten will. Fürsorge, die bisweilen tyrannisch wird. Ich kann meinen Freunden und Angehörigen die Angst nicht nehmen, doch ich kann vermitteln, was ich brauche, was ich kann und was ich nicht kann. Es ist ein langsames mit- und voneinander Lernen. Meine Beziehungen sind dadurch intensiver und offener geworden. Eine Lobby für seine Erkrankung zu haben, ein gesellschaftliches Sprachrohr auch mit einer politischen Dimension, vernetzt zu sein, eine Plattform zum Austausch über die Erkrankung und mögliche Hilfeleistungen zu haben, war für mich der Grund, Mitglied in der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft zu werden. Sie ist für mich eine Institution, die mir auch im Alltag mit Rat und Tat zur Seite steht."

Haben Sie Fragen zu MS, benötigen Sie Unterstützung? Möchten Sie sich in einer Selbsthilfegruppe austauschen? Dann wenden Sie sich bitten an den Hamburger Landesverband der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG), Telefon: 040/422 44 33, Internet: www.dmsg-hamburg.de