Ob in der Schule oder am Arbeitsplatz - Mobbing kommt überall vor. Betroffene können und sollten etwas dagegen tun

Für die elfjährige Marie war die Grundschulzeit eine Tortur. Von der ersten Klasse an wurde das verträumte und friedfertige Mädchen ständig von Mitschülern gehänselt. Sie grenzten das Kind aus, ließen es nicht mitspielen, ärgerten es, weil es langsamer war als sie. Marie fand keine Freunde. Wenn doch eine Mitschülerin mit ihr spielte, bekam auch sie die Ausgrenzung der anderen zu spüren.

Als Maries Leistungen in der Schule rapide nachließen und sie immer öfter krank wurde, wandte sich ihre Mutter Iris M. erst an die Klassenlehrerin, dann an den Rektor. "Die Lehrer wirkten hilflos und wiegelten das Verhalten der Schüler ab", schildert Maries Mutter. Dabei handelte es sich um einen klaren Fall von Mobbing.

"Mobbing bezeichnet das Verhalten von Einzelnen oder einer Gruppe, die wiederholt negative Handlungen gegen eine Person richten, mit dem Ziel, sie ,fertigzumachen'", erläutert der medizinische Psychologe und Psychotherapeut Gerd Arentewicz . Oft werden diese Vorkommnisse von Schulen oder Arbeitgebern tabuisiert. Das hat fatale Folgen für die Opfer. Denn die anhaltenden Angriffe versetzen den Betroffenen in Dauerstress. "Mein Kind war ständig unter Anspannung, bloß nichts falsch zu machen", sagt Iris M.

Mit den seelischen und körperlichen Folgen von Mobbing hatte auch die Laborantin Kathrin S. zu kämpfen. Nach ihrer Ausbildung trat sie eine neue Stelle in einem lange bestehenden Laborteam an. Voller Eifer arbeitete sie Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsabläufe aus. Doch die Kollegen zeigten wenig Interesse. Im Gegenteil, sie mieden den Kontakt mit ihr, enthielten ihr Informationen vor und verbreiteten negative Gerüchte über sie. Kathrin S. wurde immer unsicherer und grübelte ständig über ihre Arbeit. "Sie war fassungslos, dass ihre gut gemeinten Vorschläge nicht wertgeschätzt wurden. Dass sich die Kollegen von ihrem Eifer bedroht fühlten, bemerkte sie nicht", sagt Gerd Arentewicz. Die junge Frau wurde immer mutloser, litt unter Selbstzweifeln und bekam schließlich Panikattacken.

"Spätestens wenn sich der Körper bemerkbar macht, wenn sich etwa das seelische Befinden am Wochenende oder in den Ferien verbessert und im Alltag drastisch verschlechtert, wird es Zeit zu handeln", sagt Gerd Arentewicz, ehemaliger Konfliktberater und Mediator am UKE. Betroffene sollten sich dann unbedingt Unterstützung von außen holen. Schüler sollten mit viel Geduld ermutigt werden, ihre Scham zu überwinden und sich ihren Eltern oder Lehrern anzuvertrauen. Bei Mobbing im Beruf muss der Vorgesetzte oder Arbeitgeber eingeschaltet werden, "denn der ist dafür zuständig, dass am Arbeitsplatz keine krank machenden Bedingungen herrschen", so der Psychologe. Weil Mobbing schwer zu beweisen ist, rät er, in einem Mobbing-Tagebuch Vorfall, Uhrzeit und Beteiligte zu notieren. "Wichtig ist es auch, den Kreislauf der negativen Gedanken zu unterbrechen, etwa mit einem Hobby, das Spaß bringt", rät Norbert Carstensen von der Mobbing-Anlaufstelle "Klima e. V." in Hamburg. Die Beratungsstelle bietet Hilfe mit Gesprächen und empfiehlt bei Bedarf Ärzte und Anwälte.

Wenn in der Firma oder Schule keine Lösungen möglich sind, empfiehlt Experte Arentewicz die Gesundheit zu schützen und Alternativen zu suchen. Kathrin S. hat das getan, sie hat eine Abfindung ausgehandelt und das Labor verlassen, jetzt studiert sie Biologie. Und Iris M. fand für ihre Tochter eine andere Schule. "Der Wechsel hat meiner Tochter gutgetan", freut sich die Mutter heute. "Sie ist jetzt ein ganz anderes Kind und kann wieder lachen."