Das Seelsorgezentrum an der Hauptkirche St. Petri an der Mönckebergstraße ist offen für alle Menschen - ohne Anmeldung, anonym und kostenlos.

Ein Mann, Anfang 50, hat gerade seinen Vater verloren. Der Kontakt war schon vor Jahren abgerissen, als Kind war er vom Vater oft brutal geschlagen worden. Nun, nach dessen Tod, droht ihn der Schmerz zwischen Trauer und Wut zu zerreißen. Beruflich ist er erfolgreich. Aber wie soll er mit seinen Gefühlen umgehen, mit wem darüber reden?

Eine Frau, Mitte 30, ist verzweifelt: Innerhalb weniger Jahre ist ihre zweite Partnerschaft gescheitert. Nach der Geburt ihres kleinen Sohnes hatte sie auf ein dauerhaftes Glück gehofft und sich so sehr ein zweites Kind gewünscht. Doch ihr Mann hat sie verlassen.

Schicksale, die Menschen ins Beratungs- und Seelsorgezentrum (BSZ) der Hauptkirche St. Petri an der Mönckebergstraße treiben.

"Ich brauch jemanden zum Reden!" - das Banner an der Kirche weist den Weg zum Gemeindehaus. "Ein Gasthaus für die Seele, das seine Dienste gratis anbietet", nennt Hauptpastor Christoph Störmer St. Petri bildhaft: "Die Hauptkirche ist ein Seelenraum mit zwei Brennpunkten. Der eine ist die Kirche, in der täglich mehr als 1000 Menschen einkehren, eine Kerze entzünden, zur Ruhe kommen, beten und seelisch auftanken. Und der andere ist das Beratungs- und Seelsorgezentrum."

Mitten in der hektischen City steht das 2009 neu errichtete Gebäude gleich neben Hamburgs ältester Stadtkirche allen offen. Und der Gesprächsbedarf ist groß: Mit 5968 Terminen erreichte die Zahl im Vorjahr ein Rekordniveau.

Ein Mittwochnachmittag im Januar: "Sie warten auch auf ein Gespräch?", fragt ein kräftiger Mann, Anfang 30. Er lockert seinen Schal - und ist dankbar, dass er sofort drankommt. Ein Drittel der Besucher sind Männer, zwei Drittel Frauen, die Mehrzahl zwischen 40 und 60 Jahre. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, die Gespräche sind anonym und kostenlos.

Das macht das BSZ in Hamburg einzigartig. 1970 wurde es von den St.-Petri-Pastoren Carl Malsch und Dr. Gunnar von Schlippe gegründet. Als Vorbild dienten ihnen Zentren, die sie in den Niederlanden und bei den Samaritanern in London besucht hatten. Von Schlippe griff schon 1971 mit seinem Buch "Die Einsamen und Verlassenen. Seelsorge in der Großstadt" Probleme auf, die heute die Arbeit bestimmen.

"Außer Einsamkeit sind das häufig Ehe- und Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit, Erschöpfung, Ängste und Depression", berichtet Pastor Reinhard Dircks. Er leitet das Beratungs- und Seelsorgezentrum seit 2009. Dircks: "Unser Haus ist bekannt." Und sein Ruf ist hervorragend. Das liegt an den Seelsorgehelfern. 115 arbeiten zurzeit ehrenamtlich mit. Alle ein bis zwei Wochen haben sie an einem Vor- oder Nachmittag Dienst. Wenn sich die Besucher ihre Probleme von der Seele reden, sind die Ehrenamtlichen in erster Linie verständnisvolle Zuhörer. "Die Menschen offenbaren sich. Dieses Vertrauen empfinde ich als bereichernd", sagt Mechthild Volkenand.

Die ehemalige Bibliothekarin wurde 1995 durch einen Aufruf auf der Seite "Von Mensch zu Mensch" auf das BSZ aufmerksam. Sie ist so lange dabei wie Anne-Katrin Hoffmann. "Sogar ein Scheidungsrichter hat einem Paar gesagt: "Bevor es zu spät ist, gehen Sie ins Beratungszentrum St. Petri", berichtet sie. Die Seelsorgehelfer sind alle für Gespräche geschult. Nach einer mehrstündigen Einführung absolvieren sie innerhalb eines Jahres eine Ausbildung von 130 Stunden - verbunden mit der Verpflichtung, mindestens zwei Jahre mitzuarbeiten. Damit die Seelsorgehelfer die Probleme anderer nicht mit nach Hause nehmen, besprechen sie sich nach ihren Schichten. Mit zehn Besuchern gab es an diesem Nachmittag fast ohne Pause Gesprächsbedarf.

Alle zwei Wochen steht eine Supervision an; damit wird die schwierige Tätigkeit aufgearbeitet. Pastor Dircks: "Wir leisten einen Dienst für unsere ganze Stadt."

Das BSZ ist wie die St.-Petri-Kirche täglich geöffnet. "Leider noch nicht ganz so lange wie ein normales Gasthaus", meint Hauptpastor Störmer. "Das kann sich ändern, wenn der Kreis derer, die diese Arbeit finanziell und personell unterstützen, weiter wächst."

BSZ Mo-Sa, 10 bis 18 Uhr, Do bis 19 Uhr, So 11.30-15 Uhr, Bei der Petrikirche 3, Tel. 32 50 38 70; www.bsz-hamburg.de