Mitmachen ist das Motto: Alle Kinder in und um Hamburg sind eingeladen, sich für das Chorfestival 2011 zu bewerben.

Musik gehört zum Leben von Henrike Röse, 30. Seit vier Jahren singt die Marketingexpertin im renommierten Münchner Bach-Chor. Einen ihrer schönsten Augenblicke jedoch erlebte sie als Schülerin 1992 in Hamburg. Damals gewann sie mit dem Chor des Albert-Schweitzer-Gymnasiums im Michel einen Hauptpreis bei der Premiere von "Kinder singen für Kinder".

Über 2000 Besucher applaudierten den jungen Vokalisten. "Ich hatte das Glück, eine Schule mit dem Schwerpunkt Musik zu besuchen", berichtet Henrike Röse. "Jedes Talent wurde gefördert, auch wenn man später nicht Musik studieren wollte. Der Chorwettbewerb hat uns Kinder zusätzlich motiviert!" Zwei Mitglieder des Chorfestivals 1992 haben sogar den Sprung in eine Profimusikerkarriere geschafft. Cellist Benjamin Sprick und Trompeter Makio Kataoka (beide 30).

Harald Schiller, der 1992 das erste Chorfestival "Kinder singen für Kinder" als Kulturmanagement-Student der Hochschule für Musik und Theater organisierte, nahm die "Volljährigkeit" unseres Chorfestivals zum Anlass einer kritischen Reflexion. "Die Zeiten sind nicht gut für den musikalischen Nachwuchs", schreibt Schiller, der heute als Journalist und Autor arbeitet. "Musikpädagogen schlagen Alarm. Berichte über die stimmlichen Qualitäten von Kindern und Jugendlichen werden immer häufiger zu Klageliedern: "Die Kulturnation Deutschland steht am Abgrund des kollektiven Verstummens."

"Was in den meisten Ländern dieser Erde als selbstverständlich angesehen wird, dass nämlich jeder Mensch singen kann und dies auch gern tut, haben die Wirtschaftswunder-Deutschen konsequent verlernt", berichtet Christian Zech, Konzertpädagoge und Leiter des Bereichs Musikvermittlung der Internationalen Bachakademie Stuttgart. "Das Erbe und die Zukunft der Musik ist aber ohne Gesang nicht denkbar!"

Wissenschaftlich bewiesen ist überdies, dass Kinder, die gemeinsam singen, besser lernen und weniger aggressiv sind. Singen fördert die sprachliche und emotionale Entwicklung und auch die soziale Kompetenz. Aus begeisterten Sängern werden starke Persönlichkeiten. Das wissen auch die Sonntagsredner. Doch das Fach Musik verschwindet zunehmend von den Stundenplänen, das Singen und Musizieren in der Schule fristet nur noch ein Schattendasein. Der Deutsche Musikrat warnt vor einer einseitigen Konzentration auf die Fächer Mathematik, Englisch, Deutsch und beklagt einen dramatischen Mangel an qualifizierten Musiklehrern. "50 bis 80 Prozent des Musikunterrichts an Grundschulen fallen aus oder der Unterricht wird fachfremd erteilt", brachte die Neue Musikzeitung die Lage auf den Punkt. Werden Kinder glückliche Menschen, weil sie schon mit vier Jahren Englisch können? Das 'optimierte Kind' gibt es nicht nur als Horrorvision von Bildungskritikern - es sitzt längst in den Sprechzimmern der Psychologen. Klassische Bildungseinrichtungen erreichen nur eine Minderheit. Kaum zehn Prozent einer Altersgruppe lernt bis zum 18. Lebensjahr ein Instrument. Leonard Bernstein, der Komponist, Dirigent und Pianist, wusste: 'Wer Musik verstehen will, muss sie zuerst selber machen!'"

Henrike Röse war 1992 gerade mal zwölf Jahre alt, als sie im Michel die Freude am Singen als Lebenselixier entdeckte. Ob die kleinen Anna-Lenas, Kevins, Leons und Nesrins von heute später einmal die Elbphilharmonie besuchen werden, entscheidet sich jetzt.

Am 9. April ist es wieder so weit. Zum 19. Mal wird "Kinder singen für Kinder" im Michel stattfinden. Eingeladen sind alle Kinderchöre aus Hamburg und Umgebung, aus Schulen oder Gemeinden. Neben der Freude am gemeinsamen Singen und der Begegnung, der Wiederentdeckung alter Volks- und Kinderlieder, gibt es noch ein weiteres Anliegen: die Unterstützung von Kindern, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Alle Chöre, die mitmachen möchten, melden sich bitte bis zum 22. November an mit einer Postkarte oder Email: mensch@abendblatt.de . Bis zum 31. Januar 2011 erbitten wir eine CD, auf der drei Lieder zu hören sind, die nicht denen des Auftritts entsprechen müssen: Hamburger Abendblatt, Von Mensch zu Mensch, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg.

Die Jury wird sieben Chöre für den Auftritt am 9. April 2011 auswählen. Für das Rahmenprogramm konnte die Finkwarder Speeldeel gewonnen werden. Das Motto des Festivals: "Mitmachen, um die Freude am Singen in die Stadt hineinzutragen."