Als Zweijährige wurde Marie offenbar vom Vater missbraucht und ist zutiefst verstört. Eine Delfintherapie soll neues Vertrauen aufbauen.

Dieses aufgeweckte Kind. So fröhlich, kontaktfreudig, ein Mädchen, das so gern kuschelte. Wenn Susanne P. an früher denkt, an vorher, an die Zeit, als alles mit Marie (Namen geändert) noch normal und wunderbar unbeschwert erschien, huscht ein Lächeln über das Gesicht der 39-Jährigen. Ein Ausdruck, der so selten geworden ist in den vergangenen Jahren. Jetzt ist Maries Mutter oft nur nach Weinen zumute. Wenn sie ihre Tochter beobachtet und der Kummer ihr die Luft abzuschnüren scheint. Die Sorge um die heute Neunjährige, das einst so unbeschwerte Kind, das heute zutiefst verstört ist. Ein Kind, dem das Zutrauen fehlt. Das Vertrauen in andere - und sich selbst.

"Papa weggehen, Papa böse, Papa Aua machen." Diese verzweifelt gestammelten Worte von Marie haben sich in das Gehirn von Susanne P. eingebrannt. Die Erinnerung an jenen Tag vor rund sieben Jahren, als die Mutter ihren damals vier Jahre alten Sohn wegen einer Operation im Krankenhaus betreute und die zweijährige Marie für die Zeit allein mit dem Vater zu Hause gelassen hatte. Als sie nach drei Tagen aus dem Krankenhaus in die gemeinsame Wohnung zurückkehrte und Marie "plötzlich total verstört war", erzählt Susanne P. "Sie klammerte sich an mich, ließ sich nur noch widerwillig wickeln und flehte 'nicht Aua machen'. Marie begann, später immer wieder eindeutige Gesten und Äußerungen zu machen", ergänzt die 39-Jährige.

Natürlich sei ihr sehr schnell klar gewesen, "was wirklich los war. Ich bin sicher, dass er das Kind sexuell missbraucht hat". Ihre Beziehung zu ihrem Mann, die wegen seines Alkoholproblems schon vorher kriselte, habe sie sofort beendet und die Scheidung eingereicht. "Das Scheidungsurteil besagt, dass mein Ex-Mann keinen Kontakt zu meiner Tochter haben darf. Aber ich muss alle drei Monate Berichte verfassen, wie es ihr geht." Als sich später bei einer medizinischen Untersuchung auch herausstellte, dass das Jungfernhäutchen des Kindes gerissen war, "habe ich auch Strafanzeige erstattet", erzählt die Mutter. Ein Ermittlungsverfahren sei aber später eingestellt worden. Zwar gebe es Erkenntnisse, "die Rückschlüsse auf sexuellen Missbrauch zulassen", hieß es damals bei der Staatsanwaltschaft. Jedoch sei es für eine strafrechtliche Verfolgung "erforderlich, einzelne konkrete Handlungen zuverlässig zu ermitteln". Und dies sei in diesem Fall nicht ausreichend möglich.

Der Beschluss, das Verfahren einzustellen, habe sie erschüttert, erzählt Susanne P. "Mein Glaube an die Gerechtigkeit ist weg." Aber nicht ihre Hoffnung, dass es doch noch irgendwie besser werden kann. Die 39-Jährige kämpft dafür. Eine blasse, erschöpft wirkende Frau, die sich aufreibt für ihre Kinder. Für Maries Bruder, der in der Schule gemobbt wurde. Und vor allem für ihre Tochter. Susanne P. versucht, dem Mädchen alle erdenklich mögliche Hilfe zu bieten, einem Kind, das sich bis heute selbst absichtlich verletzt, das im Alter von neun Jahren noch Windeln tragen muss, das sich in der Schule verweigert, dessen Vertrauen so nachhaltig zerstört wurde, dessen Welt aus den Angeln gehoben ist. Und jetzt hat Maries Vater auf Besuchsrecht geklagt, erzählt Susanne P. "Eine zusätzliche Belastung für uns."

Marie soll wieder fröhlich sein können. Ein Stück Normalität zurückgewinnen und ihre Kindheit. Auf den Weg dahin sollen sie unter anderem Therapien bringen, zu denen die Mutter, die halbtags arbeitet, ihre Tochter begleitet. Hilfe bekommt die Familie auch seit Jahren bei der Opferschutzorganisation Weisser Ring, die unter anderem finanzielle Unterstützung bietet, einen Rechtsanwalt vermittelt und bei der Suche nach geeigneten Therapeuten geholfen hat. So kam auch die Idee auf, dass Marie eine Delfintherapie helfen könnte, bei der der Körperkontakt mit den hochintelligenten Tieren hilft, Vertrauen aufzubauen, die unsichtbare Barriere zu durchdringen, die Marie um sich errichtet hat. "Eine Delfintherapie wäre Maries größtes Glück", weiß Susanne P. Die Therapie würde auch Maries Mutter eine kleine Atempause bescheren. Sie ist selbst mit ihren Kräften am Ende. Die Angst, die Kinder woanders hinzugeben. Verzweiflung und Hilflosigkeit, nicht mehr für Marie tun zu können. "Und Schuldgefühle, dass ich sie damals mit ihrem Vater allein gelassen habe", sagt sie. Und wieder schießen ihr Tränen in die Augen.