Jürgen Thrän bringt schwer kranken Kindern im UKE kleine Geschenke, damit sie ihr Leid für kurze Zeit vergessen.

Es ist ein heißer Sommertag im August 2002. Jürgen Thrän steht am Fenster der Kinderkrebsstation des Universitätskrankenhauses Eppendorf. Er hört das Rauschen der Blätter, er hört das sanfte Atmen eines Kindes. Es ist sein kleiner zweijähriger Enkelsohn Alexander. Er ist an einer aggressiven Form von Leukämie erkrankt. Er hat eine Knochenmarkspende bekommen. Von seiner älteren Schwester. Die Ärzte sind optimistisch. Sanft streichelt der Opa dem Jungen über den kahlen Schädel, kramt aus seiner Tasche einen Teddybären hervor und legt ihn neben das schlafende Kind. Er weiß, dass Alexander sich darüber freuen wird. Und er weiß, Freude ist wichtig für einen guten Therapieverlauf.

Acht Jahre später: Es ist wieder ein heißer Sommertag. Auf dem Parkplatz vor der Kinderkrebsstation parkt ein alter roter Opel, der Wagen von Jürgen Thrän. Der 72 Jahre alte Rentner öffnet den Kofferraum und stapelt Kisten mit Spielzeug und Kuscheltieren auf einen Teewagen. Langsam schiebt er ihn über die Rampe zur Station hinauf, rückt sein dunkelblaues Käppi mit der gelben Sonne zurecht. An seinem Hemd hängt ein Namensschild. "Jürgen Thrän - der Opa für die Kinder" steht darauf.

Thrän kehrt zurück auf die Station, auf der sein Enkel so viele Monate um sein Leben gekämpft hat. Thrän kommt, um den kleinen Patienten eine Freude zu machen. Zweimal im Monat schlüpft er in die Rolle des "Spielzeugmanns". "Mit meinen kleinen Geschenken will ich trösten, Mut machen", sagt er. "Weil ich weiß, wie trostlos der Klinikalltag sein kann, wie schlecht es den Kindern bisweilen geht." Er möchte damit Danke sagen, dass sein Enkel die schwere Erkrankung gut überwunden hat.

Die Konfrontation mit den schwer kranken Kindern ist für Thrän nicht immer leicht. Schmal ist der Grat zwischen den eigenen Erinnerungen und den neuen Erfahrungen auf den Kinderstationen. Wenn er Kinder erlebt wie den 23 Monate alten Mika, der seit sieben Wochen im UKE liegt wegen einer schweren Stoffwechselerkrankung. Und der nur eine Lebenserwartung von fünf Jahren hat, wenn nicht ein passender Knochenmarkspender gefunden wird. Dann sind die Bilder von Alexander wieder da. Wie der Junge im Verlauf der Chemotherapie immer dünner, immer blasser wurde. Wie die Übelkeit ihn gequält hat, er nicht schlucken konnte, weil die Schleimhäute verätzt waren. "Wir haben ihn gehütet wie ein rohes Ei", erinnert sich Thrän. "Und gleichzeitig versucht, Alexander aufzubauen." Mit dem festen Glauben an eine Heilung, mit fröhlichen Geschichten und kleinen Geschenken. Wie wichtig diese positiven Erlebnisse sind, weiß auch Kinderkrankenschwester Ann-Christin Seyer. Die Pflegerin arbeitet auf der K1, der Kinderkrebsstation, auf der auch Alexander 2002 behandelt wurde. "Die Besuche von Herrn Thrän sind etwas ganz Besonderes", sagt sie. "Sie bedeuten für die Patienten Ablenkung und Zuwendung. Auf diese Weise können sie ihre Erkrankung für ein paar Minuten vergessen. Die Freude unterstützt den Behandlungsverlauf."

Gestartet hat Jürgen Thrän seine Aktion vor fünf Jahren mit einer "Pikse-Kiste". Die kleinen Holztruhen stehen in den Behandlungszimmern der Kinderstationen. "Wenn ein Kind gepikst werden muss, also eine Spritze bekommt, darf es sich aus der Truhe ein Trösterle nehmen", sagt Thrän. Die Sachen - Bälle, Stifte, Blöcke, Puzzle, Playmobilfiguren, Lego, Bücher und CDs - kommen zum großen Teil von den Herstellern selbst.

Jedes Jahr schreibt Jürgen Thrän 150 Bittbriefe an Firmen in ganz Deutschland. Alles, was auf die Stationen gebracht wird, muss hygienisch einwandfrei sein. Weil die Kinder auf den Stationen anfällig sind für Infektionen. Und weil jede Infektion schwere Folgen haben könnte. So wie bei Torben. Der Fünfjährige hat Leukämie. Die Chemotherapie verträgt er bislang gut. Gerade durfte er für ein paar Tage nach Hause. Jetzt sitzt er wieder auf seinem Bett in Zimmer 29. Torben hat einen Infekt. Er hustet. Jürgen Thrän bringt dem Jungen einen Fußball, ein HSV-Trikot, Aufkleber und erlebt die Freude des blassen Kindes. Thrän geht weiter. Zur Kinderherzstation, zur Intensivstation. Er füllt die Anti-Schmerz-Kisten auf, bringt die Kinder zum Lachen, redet mit den Eltern. Wenn die Leute nachfragen, erzählt er seine eigene Geschichte. Er redet über die Konfrontation mit dem Thema Tod und über seinen ganz persönlichen Sechser im Lotto. Dieser wartet zu Hause auf seinen Opa.

Als Jürgen Thrän in die kleine Schnelsener Wohnstraße einbiegt, kann er das laute, fröhliche Lachen hören. Es gehört zu einem kleinen Jungen mit blonden Haaren. Es ist Alexander.