Schwimmunterricht gibt es in Hamburgs Schulen erst ab der dritten Klasse. “Zu spät“, beklagt Heiko Mählmann, DLRG

Lea ist eine richtige Wasserratte geworden, seitdem ihre Großeltern der Fünfjährigen einen Schwimmkurs spendiert haben. Denn Schwimmkurse kosten Geld, rund 100 Euro und mehr, wenn sie privat gemacht werden. Und das kann sich nicht jede Familie leisten. Und so passiert es, dass Nichtschwimmer gerade noch gerettet werden, wie die Neunjährige bei einem Beinah-Unglück in einem Hamburger Freibad. Das Mädchen ist wohlauf, hat keine bleibenden Schäden davongetragen.

Nicht immer geht es so glimpflich aus. Jedes Jahr sterben fast 500 Menschen in Deutschland durch Ertrinken. Ein Grund ist auch die mangelnde Schwimmfähigkeit, und zwar in allen Altersgruppen.

"Es darf nicht sein, dass in der heutigen Zeit, in einem zivilisierten Land wie Deutschland, Kinder ertrinken, weil sie nicht schwimmen gelernt haben", empört sich Silvia Behr, Vorsitzende des Luruper Fördervereins Integration durch Schwimmen, kurz LuFISch. Die zweifache Mutter spielt damit auf die erschreckende Zahl von 24 Kleinkindern an, die 2009 im Schwimmbad, im Gartenteich oder heimischen Swimmingpool den Tod fanden. Und jedes vierte beinahe ertrunkene Kind, das wiederbelebt wurde, stirbt innerhalb eines Jahres oder trägt schwere neurologische Schäden davon.

Im Sommer 2005, als der Hamburger Senat alle Lehrschwimmbecken an Hamburger Schulen schloss, um die frei werdenden Gelder zur Unterstützung der Bäderland-Schwimmhallen zu nutzen, hat sich LuFISch gegründet und übernahm das Lehrschwimmbecken im Swatten Weg. In diesem Jahr hat der gemeinnützige Verein das Schwimmbad gekauft. Die Finanzierung für Kauf und Renovierung sowie die monatliche Unterhaltung erfolgt durch Fördermitgliedsbeiträge, Nutzungsentgelte und Spenden. "Unsere Schwimmlehrer arbeiten alle ehrenamtlich", erzählt die engagierte 43-Jährige, die von der DLRG ausgebildet wurde und heute Kita- und Schulkinder unterrichtet. Kostenlos, weil die ehemalige Elterninitiative ihre Aufgabe darin sieht, sozial Schwachen zu helfen. "In Hamburg gibt es viele Menschen, die finanziell nicht in der Lage sind, vorhandene Sportangebote zu nutzen", meint nicht nur Silvia Behr. "100 Euro für einen professionellen Seepferdchenschwimmkursus, wie ihn Bäderland anbietet, können nur wenige Eltern in unserem Stadtteil aufbringen", bestätigt Reiner Lassen-Tams, Leiter der Kita Bissingstraße in Harburg.

In den Grundschulen steht erst in der dritten und vierten Klasse Schwimmunterricht auf dem Stundenplan. Norbert Baumann von der Schulbehörde, zuständig für den Schulsport, erklärt, warum: "Wir haben uns seinerzeit mit den Eltern und Lehrern beratschlagt mit dem Ergebnis: Die Wege zu den Bädern wären Acht- bis Zehnjährigen eher zuzumuten als den Jüngeren." Ein weiterer Grund: Viele Erst- und Zweitklässler brauchen noch Hilfe beim Umkleiden, ältere Schüler sind in allem selbstständiger. Anfang Mai wurde eine gemeinsame Initiative der Freien Hansestadt Hamburg, der Bäderland Hamburg GmbH, der DLRG, des Hamburger Schwimmverbandes und der Unfallkasse Nord ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Wassersicherheit und Schwimmfähigkeit der rund 45 000 Hamburger Vorschulkinder zu erhöhen. In den leider ebenfalls kostenpflichtigen Kursen, etwa 100 Euro pro Kind unter dem Motto "Ab ins Wasser - aber sicher", lernen Vier- bis Sechsjährige auf spielerische Art und Weise, zumindest nicht unterzugehen. "Eine schöne Sache, trotzdem liegt uns am Herzen, dass die Kinder so früh wie möglich richtig schwimmen lernen, mit sechs Jahren wäre gut", sagt Heiko Mählmann von der DLRG Hamburg. Dieses Ziel bedeutet aber einen finanziellen Kraftakt. "Wir müssen die einzelnen Bahnen für 75 Euro pro Stunde in den städtischen Bädern anmieten", so Mählmann. Doch das Problem liegt woanders: Es stehen kaum freie Zeiten zur Verfügung. Der DLRG-Vizepräsident erklärt das so: "Bäderland Hamburg ist aus wirtschaftlichen Gründen daran interessiert, die Hallen erst mal für eigene Zwecke, sprich: ihre eigenen Schwimmkurse, zu nutzen, bevor sie an Vereine vermieten."

Laut Schulbehörde können rund 30 Prozent der Hamburger Kinder nicht schwimmen, die DLRG spricht von 43 Prozent. "Hamburg steht besser da als der Bundesdurchschnitt", meint Baumann, der die Statistik skeptisch sieht. Dennoch versteht er den Wunsch der Vereine nach mehr Schwimmzeiten. "Nur dann müssten wir mehr Bäder bauen, und dafür fehlt das Geld."