Einmal in der Woche holt der Helfer vom Arbeiter-Samariter-Bund die alte Dame ab - zum Einkaufen, Arztbesuch, zur Gymnastik oder zum PC-Kurs. Immer mehr alte Menschen leben isoliert in ihren vier Wänden. Sie sehnen sich nach Kontakten. Aber es fehlt überall an ehrenamtlichen Mitarbeitern und an Geld.

Niemand müsste einsam sein", sagt Henny F. "Eigentlich", fügt die 87-Jährige leise hinzu. Viele ihrer Altersgenossen trauten sich nicht, das Haus zu verlassen und neue Kontakte zu knüpfen. "Krankheit und Armut sind weitere Gründe", mutmaßt die alte Dame.

An Courage hapert es der resoluten, sympathischen Hamburgerin nicht. Nur zu gerne möchte sie mal wieder in die Oper, ins Konzert, in die Stadt, einfach unter Menschen. Aber stark gehbehindert, auf Rollator und Rollstuhl angewiesen, kann sie längst nicht mehr so, wie sie will.

Ihre Freunde sind tot, neue Kontakte? "Wer will denn mit alten, kranken Leuten zu tun haben? Wer hat heutzutage Zeit?" fragt die leidenschaftliche Skatspielerin, die ihrem Hobby immer sonntags mit ihrem Sohn und der Schwiegertochter frönt. Bis auf den Mittwoch verbringt sie die Tage meist allein. Mit Kreuzworträtseln, Lesen und Schreiben. Wenn sie aus dem Fenster blickt, sieht sie auf eine Wand, die Häuserwand gegenüber. Die Wohnung sei okay, behindertengerecht, "nur leider weitab vom Schuss", bedauert Henny F. Es gibt keinen Supermarkt, keine Bank, keine Post, geschweige denn kulturelle Angebote in der Nähe.

Sie ist dankbar für jede nette Abwechslung. Nur kosten darf es nicht viel. Ihre kleine Rente erlaubt ihr keine großen Sprünge. "Das meiste geht für Pflege und Medikamente drauf." Umso mehr freut sie sich auf Mittwoch. Dann hält der von Hamburger Geschäftsleuten gesponserte Bus vor ihrer Tür, und der ehrenamtliche ASB-Mitarbeiter Klaus Pickelmann fährt sie und zwei weitere Frauen zum Einkaufen oder zum Arzt. Gymnastik, Schwimmbadbesuche, PC-Kurse, Vorträge und gemeinsames Essen bietet der ASB Seniorentreff Rissen an sowie an manchen Tagen einen Fahrdienst.

"Wir würden gerne mehr machen, es ist wichtig, Ältere aus der Isolation zu holen, sie geistig und körperlich fit zu halten, aber es fehlt an Geld und an ehrenamtlichen Helfern", bedauert Karin Hanssen vom Vorstand des ASB Ortsverbandes Hamburg West. Dem stimmt Dagmar Zita Hirche vom Vorstand des Vereins "Wege aus der Einsamkeit" zu. Der 2007 gegründete Verein, der sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert, will das Thema Alter, "das uns alle angeht", und die damit verbundenen Probleme mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken, unterstützt dazu Initiativen und organisiert Ideenwettbewerbe und Aktionen.

Eine davon war im April 2009 die Übertragung der Patenschaft der Elefantendame "Mala" an 40 Senioren, die dafür in den Tierpark Hagenbeck eingeladen wurden. Dank der Spende eines Hamburger Unternehmens und in Zusammenarbeit mit Hagenbeck konnte so "ein Weg aus der Einsamkeit" gezeigt werden. Den Elefanten habe man gewählt, weil diese Tiere ihre Artgenossen im Alter nicht im Stich lassen, so Hirche. Zu den ausgewählten Paten gehört auch Henny F. "Ich warte schon sehnsüchtig auf den Mai, wenn wir wieder in den Tierpark fahren. Allein würde ich das nie schaffen." Henny F. strahlt, und man sieht ihr an, wie glücklich es sie macht, wenigstens ab und zu wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können.