Jährlich nehmen sich 58 000 EU-Bürger das Leben. Die Zahl der Selbstmordversuche ist weit höher als die der begangenen Suizide.

"Jährlich nehmen sich 58 000 EU-Bürger das Leben. Die Zahl der Selbstmordversuche übersteigt die der begangenen Suizide allerdings um das Zehnfache", sagt Dr. Uwe Böschemeyer. "Zwar geht die Zahl der Suizide leicht zurück, dafür breiten sich seelische Störungen erheblich aus. Jeder vierte EU-Bürger erkrankt mindestens einmal in seinem Leben psychisch. Jährlich leiden innerhalb der EU 18,4 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren an Depressionen." Der Psychotherapeut Uwe Böschemeyer, Leiter des Hamburger Instituts für Logotherapie und Rektor der Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsbildung, Salzburg, weiß aus seiner täglichen Praxis: "Seelische Probleme sind das am schnellsten zunehmende Krankheitsbild." Diese Zahlen sind erschreckend, jedenfalls für den, der sich noch nicht abgewöhnt hat, über den eigenen Horizont hinauszusehen. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung? "Vielleicht diese", so Böschemeyer: "In keiner Zeit haben Menschen so vielfältige Veränderungen erfahren wie in dieser. Wir sind Zeugen einer rasant verlaufenden technologischen Entwicklung, eines umfassenden Wandels unserer Gesellschaft in eine 'Informationsgesellschaft', einer Internationalisierung des Lebens, einer radikalen Veränderung in der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Einerseits beglücken diese Veränderungen, andererseits bedrücken sie." Jedenfalls haben sie auch dazu geführt, dass immer mehr Menschen, so der Psychotherapeut Markus Treichler, "nicht wissen, ob und was sie fühlen, und nicht fühlen, was sie wollen und tun, und nicht tun, was sie wissen". Böschemeyer: "Doch wer so lebt, lebt gespalten. Wer gespalten ist, ist nicht bei sich, kommt nicht zu sich. Wer nicht zu sich kommt und nicht bei sich ist, weiß auch nicht, warum es sich zu leben lohnt. Darüber hinaus haben der 11. September 2001, an dem die Türme von New York fielen, und die ständig neuen Terroranschläge das Daseinsgefühl der Menschen weltweit verändert. Davon sprechen sogar die Träume eine deutliche Sprache.

All diese Entwicklungen sind eine nie da gewesene Herausforderung, Leben neu zu begreifen und sich neu darauf einzustellen. Deshalb werden Fragen wie diese dringlicher denn je gestellt: Wonach kann ich mich richten? Gibt es Wegweiser fürs Leben? Wie kann ich in dieser Zeit leben? Lohnt es sich überhaupt, zu leben?

Es gibt diese Wegweiser. Und die Erfahrung zeigt, dass sie zu einem starken Leben führen können."

In seinem Vortrag am Mittwoch, 10. Februar um 19 Uhr, wird Dr. Böschemeyer zehn Gründe beschreiben, warum es sich zu leben lohnt. Ein Grund sei hier schon einmal angedeutet: Es geht dabei um die Bewusstmachung der banal erscheinenden, doch höchst befreiend wirkenden Tatsache, dass jeder Tag, den wir erleben, ein eigenes Stück Leben ist. Das bedeutet, dass wir die vielen Probleme, die sich im Laufe des Lebens zeigen, mit denen wir aber heute befasst sind, erst nach und nach zu lösen haben - nicht heute, nicht alle auf einmal! Jeder neue Tag liegt also vor uns wie eine Straße unberührten Schnees. Jeder neue Tag gibt uns die Gelegenheit, aufmerksamer als am gestrigen durch die Zeit zu gehen. Jeder neue Tag fordert uns dazu heraus, ihn unvergessen zu machen. Jeder neue Tag kann neuen Sinn, kann neues Glück bringen. Spüren wir die Befreiung, die von diesem Gedanken ausgeht?

Der Vortrag findet statt im Gemeindehaus von St. Michaelis (Englische Planke 1). Eintritt: 10 Euro. Vorbestellungen: Tel. 04131/40 38 44, Abendkasse ab 18 Uhr.