Es liegt mehr als sechs Jahrzehnte zurück. Und doch ist es für viele unvergessen: Weihnachten 1945. Der Krieg, der Millionen Menschen getötet hatte, war zu Ende, Not und Hunger nicht. Unsere Leserin Elisabeth Piper erinnert sich:

Es war das lang ersehnte erste Weihnachtsfest im Frieden. Keine drohenden Bombennächte, keine Verdunkelung, manchmal gab es sogar Strom und ein paar Kohlen für den Ofen. Nach sechs Jahren strikter Verdunkelung schien Heiligabend wieder Licht aus den Fenstern, vor allem für junge Menschen eine überwältigende Erfahrung. Zu essen gab es Weihnachten 1945 allerdings weniger denn je. Die "auf Marken" zugeteilten Lebensmittelrationen wurden noch kleiner. Unser Traum, unser größter Weihnachtswunsch aber lautete, einmal satt essen. Den meisten schwebte ein Stück Fleisch vor, irgendein Fleisch, das im illegalen Tauschhandel gegen "Sachwerte" teuer erkauft werden musste. Auf qualmendem Herd wurde es mit Liebe gekocht - in einer Suppe, damit es mehr hergab. Eine richte Fleischsuppe war etwas anderes als die alltägliche "Brennsuppe", die nach dem Motto "Man nehme, was man hat, und rühre glatt" hergestellt wurde: In einem trockenen Topf wurde etwa eine halbe Tasse Mehl ohne jedes Fett unter wachsamem Rühren schön bräunlich geröstet, Wasser, Salz und das damals verfügbare heimische Gewürz Kümmel dazugegeben, und fertig war eine Suppe von zartem, ungelogen angenehmen Röstgeschmack, dicker oder dünner je nach der Wassermenge, mit der sie verlängert wurde. Oft mit einem Schuss wässriger Magermilch, gesüßt von einer Spur Rübensirup. Manche nahmen zum Essen den kleinsten Löffel, damit sie möglichst lange vor dem Teller sitzen konnten ...