Stall ausmisten, Kühe melken, mit dem “Ackerporsche“ aufs Feld fahren. Auf der etwas anderen Klassenfahrt zum ökologischen Hof machen Viertklässler ganz neue Erfahrungen.

Morgens um sieben auf Hof Norderlück. Die Sonne geht langsam auf, ein Hahn kräht, und vor den Stallgebäuden haben sich noch vor dem Frühstück sechs Kinder in Gummistiefeln und Anoraks eingefunden. Johannes, Moritz, Lukas, Emely, Benedikt und Siv können es kaum erwarten, sie wollen zu Frida. Frida ist eine von zwei Kühen auf dem kleinen Bauernhof in der Nähe von Flensburg. Und jetzt ist Melkzeit. Bevor es losgeht, fragt Landwirt Michael Fischer die Kinder, wofür man einen Vormelkbecher braucht. "Damit die Milch zum Laufen kommt und die Bakterien abfließen", ruft Johannes wie selbstverständlich. Dabei hatte der Neunjährige ebenso wie viele seiner Klassenkameraden vor gut einer Woche noch nicht mal eine Kuh aus der Nähe gesehen geschweige denn gemolken.

Das haben die Hamburger Kinder erst hier gelernt, auf einer außergewöhnlichen Klassenfahrt zum ökologischen Schulbauernhof Norderlück. Zehn Tage hat sich die Klasse 4a der Grundschule Anna-Susanna-Stieg aus Schnelsen hier einquartiert. Die Kinder und zwei Lehrerinnen wohnen in Zwei- und Vier-Bett-Zimmern in dem alten reetgedeckten Fachwerkhaus. Rund um das Haus liegen die Ställe der Kühe, Ziegen und Hühner, ein riesiger Garten, Gemüsebeete und Weiden. In den Bäumen rauscht der Wind. Bis zum nächsten Ort mit Einkaufsladen sind es sechs Kilometer, bis zum Ostseestrand nur 300 Meter.

"Das ist so toll, hier gibt es Ziegen, Kälber, Schafe, Hühner und Schweine", schwärmt Maya. "Und am Strand haben wir Fossilien gefunden", sagt Emely und präsentiert stolz ihre Funde. Bei den Kindern zeigt sich keine Spur von Langeweile. Jeden Tag lernen sie Neues auf dem Hof und in der Umgebung kennen. Mal zu dritt, mal zu sechst nehmen sie an verschiedenen Aktionsgruppen teil. So kümmert sich der Stalldienst, angeleitet von Michael Fischer, um das Füttern der Tiere und das Melken von Kühen und Ziegen. In der Gruppe "Kraut und Rüben" geht Gärtnerin Sandra Skrydstrup mit den Kindern aufs Feld, steckt Kartoffeln oder erntet Gemüse. Die Naturgruppe ist am Strand unterwegs, beim "Spüljoker" sind die Kinder nicht nur für das Decken und Abräumen der Tische zuständig, sondern bewerten auch, wie ordentlich ihre Klassenkameraden ihre Zimmer aufgeräumt haben. In der Backgruppe wird täglich Brot gebacken.

Die Aktionsgruppen stehen für das Konzept des Schulbauernhofes Norderlück, der viel mehr ist als ein idyllischer Streichelzoo. "Die Kinder lernen hier den Naturkreislauf kennen, sie füttern die Tiere, ihnen wird aber auch nicht verschwiegen, dass diese geschlachtet werden und die Wurst, die wir hier essen, von ihrem Fleisch stammt", sagt Michael Fischer. Das ist ganz im Sinne der Gründerin des Hofes Norderlück, Ingrid Ehlerding. 1993 kaufte sie mit ihrem Mann Karl den Hof und baute ihn zu einem Bauernhof für Kinder um. "Unsere Kinder sitzen zu viel vorm Fernseher und Computer. Doch je virtueller die Welt, desto wichtiger ist die sinnliche Erfahrung. Wie etwa im Boden zu graben, um die Kartoffeln zu ernten, die man isst", sagt die Mutter zweier erwachsener Söhne. Als Vorstandsvorsitzende der Ehlerding-Stiftung engagiert sie sich für mehrere Projekte im Bereich Jugend, Umwelt und Kultur.

Punkt zwölf läutet Lennart aus der Spüljoker-Gruppe die Glocke zum Mittagessen. Schnell versammeln sich Kinder, Lehrer und Mitarbeiter an den Holztischen im Speisesaal, fassen sich an den Händen und wünschen sich einen guten Appetit. Ein ungewohntes Ritual, an das sich die jungen Gäste oft erst gewöhnen müssen, genauso wie daran, dass es viel Salat, kein Fast Food und sowieso keinen Fernseher und keinen Computer auf Norderlück gibt. Dafür gibt es hier einen strukturierten Tagesablauf mit festen Zeiten fürs Essen und Pausen, für Aktionsgruppen und Freizeit. "Nach den ersten schwierigen Eingewöhnungstagen finden sich die meisten mit der Struktur und den Regeln gut zurecht", sagt Jens Hansen vom Norderlück-Team, der ebenso wie Michael Fischer und seine Familie auf dem Hof wohnt.

Die Kinder wachsen innerhalb der zehn Tage stetig an ihren Aufgaben. "Sie lernen hier unglaublich viel", sagt Lehrerin Angela Tasche und ihre Kollegin Sandra Fraedrich ergänzt: "Das betrifft auch das soziale Verhalten, sie gehen mehr aufeinander ein und mancher zeigt Fähigkeiten, die in der Schule zu kurz kommen", so Sandra Fraedrich.

Aus dem Aufenthaltsraum dringt am Abend fröhliches Stimmengewirr. "Ich vermisse den Fernseher nicht", sagt Akim, der gerade mit Mona Mau-Mau spielt. Um 22 Uhr steht schließlich "Bettruhe" auf dem Tagesplan. Hier und da klappt noch eine Tür und dann ist es tatsächlich mucksmäuschenstill auf Norderlück.