Nach zehnjähriger Ehe wurde Hanne G. geschieden. Der ihr gezahlte Unterhalt wurde aufgrund der Klage ihres Exmannes eingestellt. Sie lebt seitdem von 739,04 Euro monatlich, ihrer eigenen Rente.

Mit Unverständnis, Enttäuschung und Verzweiflung habe ich das Urteil über die Streichung der Unterhaltszahlungen zwar zur Kenntnis genommen, weiß aber nicht mehr, wovon ich noch leben soll. Seit 1998 bin ich geschieden - nach zehnjähriger Ehe - und erhielt von meinem geschiedenen Mann 726,03 Euro monatlichen Unterhalt. (Urteil vom Oberlandesgericht).

Im März 2008 forderte mich der Anwalt meines Mannes auf, freiwillig auf den Unterhalt zu verzichten. Laut neuem Gesetz vom 1.1.08 hätte ich keinen Anspruch mehr. Ich habe daraufhin über einen Anwalt den Verzicht abgelehnt. Mein Exmann hat dann Klage eingereicht und vom Amtsgericht recht bekommen.

Seit 1.6.08 bekomme ich keinen Unterhalt mehr. Meine Rente von genau 739,04 Euro deckt aber gerade meine monatlichen festen Kosten. Meine Ersparnisse schrumpfen zusehends. Um gegen das Gerichtsurteil Widerspruch einzulegen, fehlte mir der Mut, zumal mich der erste Prozess schon Etliches gekostet hat. Ich bin 71 Jahre alt und auch gesundheitlich nicht mehr in der Lage, etwas zu meinem Lebensunterhalt dazuzuverdienen. Wäre ich 20 Jahre jünger, wäre das für mich wohl kein Problem. Es kann doch nicht sein, dass das Gesetz ältere Frauen so benachteiligt. Ich hoffe, dass sich betroffene Frauen melden, und wir vielleicht gemeinsam etwas erreichen können. Hanne G.

Es antwortet Astrid Weinreich, Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin:

Nach Einführung des neuen Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 kommt es immer häufiger zu Abänderungsurteilen von Unterhaltsverpflichtungen mit der Folge, dass der nacheheliche Unterhalt nicht mehr geschuldet oder zeitlich begrenzt wird. Vielfach sind diese Entscheidungen für die Unterhaltsbedürftigen überraschend und stoßen mitunter auch bei Außenstehenden auf Unverständnis. In der Vergangenheit sind sowohl Urteile über den nachehelichen Unterhalt als auch Unterhaltsvereinbarungen zwischen den Parteien nicht selten ohne zeitliche Begrenzungen erfolgt. Obwohl bereits vor Einführung des neuen Unterhaltsrechts, auch nach altem Recht, die Möglichkeit der Begrenzung von Unterhaltsansprüchen bestand.

Das Oberlandesgericht Celle hatte Ihrer Leserin zunächst einen nachehelichen Unterhaltsanspruch wegen Alters zugesprochen und hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsanspruchs die beiderseitigen Einkommens- und Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlungen vor Ausspruch der Scheidung zugrunde gelegt. Die Entscheidung erfolgte nach altem Recht, ein ehelicher Nachteil Ihrer Leserin war nicht erheblich und musste auch nicht vorgetragen werden.

Mit der Klage hat der geschiedene Ehemann eine Abänderung des Urteils des Oberlandesgerichts Celle wegen der geänderten Gesetzeslage begehrt. In diesem Zusammenhang musste das Gericht nun die Grundsätze des neuen Unterhaltsrechts heranziehen und überprüfen, ob die Leserin einen ehelichen Nachteil hatte, der weitere Unterhaltszahlungen gerechtfertigt hätte.

Die Leserin hatte das zu beweisen, diesen Beweis blieb sie schuldig. Sie hat zwar ein ärztliches Attest von 1991 vorgelegt, in dem eine Überforderung am Arbeitsplatz beschrieben wurde. Es wurde für das Gericht jedoch nicht ersichtlich, worin diese Überforderung bestand, und ob die Überforderung nicht auch aufgetreten wäre, wenn die Leserin nicht verheiratet gewesen wäre. Ihr Anwalt hat den diesbezüglichen richterlichen Hinweis leider auch nicht aufgegriffen.

Weil die Ehe allein nicht ausreicht, um einen ehelichen Nachteil zu rechtfertigen und der geschiedene Ehemann bereits zehn Jahre Unterhalt bezahlt hat, wurde der weitere Unterhaltsanspruch abgewiesen. Das Urteil wäre sicher anders ausgefallen, wenn die Leserin ihre gesundheitliche Situation als ehebedingt hätte beweisen können und auch ausreichend geeignete Maßnahmen vorgetragen hätte, ihren Gesundheitszustand wieder herzustellen. Das ist unterblieben, sodass das Gericht keine andere Entscheidung treffen konnte.

Da die Leserin erst mit 52 Jahren geheiratet hat, kann man wohl davon ausgehen, dass keine gemeinsamen Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, die von ihr betreut wurden und wegen derer sie ihren Beruf aufgegeben hat. Da die Leserin während der Ehe auch weiterhin berufstätig war und ihren Beruf nicht zugunsten der gemeinsamen Haushaltsführung aufgegeben hat, liegt kein "ehebedingter Nachteil" vor.

Ihre Leserin ist allerdings aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes nun nicht mehr in der Lage, sich in das Berufsleben einzugliedern und eigenes Einkommen zu erzielen. Sie hat eine kleine Rente und geringe Ersparnisse. Das Gericht hätte dann zu prüfen gehabt, ob es der Unterhaltsbedürftigen zuzumuten gewesen wäre, sich mit dem Einkommen zu begnügen und ihren Lebensunterhalt mit ihren Einkünften sicherzustellen vermocht hätte. Ihre Rente von 739,04 Euro monatlich liegt noch unter dem notwendigen Eigenbedarf von 770 Euro. Eine vollständige Versagung von nachehelichem Unterhalt ist daher (ohne Kenntnis der Vermögensverhältnisse) nicht nachvollziehbar, allenfalls eine Herabsetzung der bisherigen Zahlung.

Es ist unverständlich, dass das Einkommen des geschiedenen Mannes wohl überhaupt nicht berücksichtigt worden sein soll, da die Leistungsfähigkeit des vermeintlichen Unterhaltsschuldners in einem gerichtlichen Verfahren auch immer zugrunde zu legen ist.

Die Frage, ob ein "ehelicher Nachteil" gegeben ist und welche unterhaltsrechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind, ist immer nur individuell zu beurteilen, sodass auch bei anscheinend ähnlich gelagerten Fällen unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.

"Scheiden tut weh"

Was kommt für den Fall der Trennung auf mich zu? Astrid Weinreich, info@astrid-weinreich.de , Tel. 866 03 10, gibt in ihrem Seminar einen Überblick über das Familienrecht: am 29. Oktober, 16-19 Uhr, in der Katholischen Frauen- und Familienbildungsstätte, Graumannsweg 42, 22087 Hamburg, Gebühr 13 Euro, Anmeldung: 040/229 12 44.