Sebastian (14) fiel in der Schule immer wieder durch ungewöhnliches und störendes Verhalten auf. Er rief Antworten ungefragt in den Klassenraum, äußerte sich unkontrolliert in Fäkalsprache, zerriss Hefte. Letztendlich musste er das Gymnasium verlassen. Nach einer leidvollen Odyssee wurde endlich die richtige Diagnose für das sonderbare Verhalten gestellt: Tourette-Syndrom. "Durchschnittlich vergehen acht Jahre bis zur Diagnose", so Carmen Grieger, Leiterin und Initiatorin des InteressenVerbandes Tic & Tourette Syndrom. (IVTS) "Grund dafür ist die unzureichende Ausbildung der Ärzte, die zu wenig über dieses Krankheitsbild lernen." Die Folgen sind fatal: Bei nur 40 000 Menschen wurde bis heute diese Erkrankung diagnostiziert, vermutet werden allein in Deutschland 1,2 Millionen Erkrankte.
Charakteristisch ist für diese neuropsychiatrische Erkrankung das Auftreten von sogenannten Tics: unwillkürlich, rasch, meist plötzlich einschießende und mitunter sehr heftige Bewegungen. Hinzu kommen verbale Tics (ungewollte Äußerungen, Ausrufe, eigenartige Geräusche). Die Ursachen der Erkrankung sind weitestgehend unerforscht, Medikamente selten und oftmals teuer. Die ersten Symptome zeigen sich meist im Alter von sieben Jahren, bilden sich bis zum 14. Lebensjahr meist voll aus.
Sebastian war 13, als die Diagnose dank des unermüdlichen Einsatzes des Vaters gestellt wurde. Inzwischen geht er auf eine Realschule. Mit Unterstützung des Schulleiters ist er heute ein selbstbewusster junger Mann mit vielen Plänen. Er hat gelernt, mit den Tics umzugehen und engagiert sich beim IVTS. Durch Erfahrungsaustausch, Beratung, Schulungen sowie praktische Hilfen gelingt es dem Verein, für die betroffenen Kinder und Familien die Lebensqualität zu verbessern.
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