Auch Anne glaubte in der Beziehung zu einem verheirateten Mann an eine gemeinsame Zukunft mit ihm und wurde enttäuscht.

Die Beziehung zu Jan beginnt für Anne bei der Arbeit: "Ich hatte gerade die Herausforderung eines beruflichen Neuanfangs gewagt, in einer fremden Stadt und nach einer gescheiterten Partnerschaft. Jan unterstützte mich als Kollege während meiner Einarbeitungszeit, hin und wieder unterhielten wir uns auch privat, und schließlich trafen wir uns nach Feierabend. Unsere anfängliche Liebschaft entwickelte sich über einen langen Zeitraum zu einer wunderbaren Beziehung.

Wir verbrachten häufig die Wochenenden miteinander, fuhren gemeinsam in den Urlaub, und ich erfuhr bei ihm eine ganz besondere Nähe und Geborgenheit. Wir konnten stundenlang miteinander reden, hatten viele ähnliche Interessen und planten irgendwann für einen späteren Zeitpunkt unsere gemeinsame Zukunft. Er würde seine Frau verlassen, wenn "die Kinder alt genug" seien, versprach Jan. Und sie glaubte ihm: "Ich genoss unterdessen meine Eigenständigkeit und die Tatsache, dass die Beziehung zu Jan etwas Besonderes blieb."

"Häufig erleben Geliebte ihre Beziehung zu einem verheirateten Mann zwiespältiger als Anne. Sie leiden unter dem permanenten Wechsel zwischen Sehnsucht, Zweifel und Hoffnung. Sie fragen sich bisweilen selbst, weshalb sie sich auf den Partner eingelassen haben, obwohl sie doch wussten, dass er verheiratet ist", sagt Simone Buchholz von den Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen (KISS).

"Die Geliebten wollen sich trotz widriger Bedingungen das gespürte Vertrauen in der Beziehung und die intensiven Gefühle nicht nehmen lassen", sagt die Selbsthilfeberaterin. "Zugleich fühlen sie sich ständig auf Abruf und leiden darunter, den Menschen, für den sie eine starke Zuneigung empfinden, nicht öffentlich an ihrer Seite haben zu können. Neben den eigenen Bedürfnissen sind sie sich über ihre Rolle und das Doppelleben des Partners bewusst", beschreibt Simone Buchholz das Dilemma, "Gewissensbisse, Eifersucht, Traurigkeit und Wut wechseln sich ab. Mitunter beenden sie das Versteckspiel und trennen sich, sofern es ihnen gelingt, sich emotional aus der Beziehung zu lösen. In vielen Fällen veranlasst die Entscheidung des verheirateten Partners die Trennung."

Die Beziehung von Anne und Jan zerbricht, als die Gerüchte über die beiden am Arbeitsplatz zunehmen. Die Trennung geschieht unter dem Druck abrupt und ohne viele Worte. Jan entscheidet sich für seine Ehe. Das will Anne einfach nicht wahrhaben, sie zweifelt lange an der Endgültigkeit der Trennung, sogar noch nach über einem Jahr glaubt sie, dass Jan sich irgendwann wieder melden und sein Versprechen an eine gemeinsame Zukunft einlösen wird. Ihre Beziehung war für sie etwas wirklich Inniges und Besonderes. Das kann doch nicht alles vergessen und vorbei sein. Jan tut alles, um eine Begegnung mit ihr in der Firma zu verhindern, und doch bleibt bei Anne ein Rest Hoffnung bestehen. Sie erwischt sich häufig genug dabei, immer noch auf ein Zeichen von ihm zu warten. Sie versucht, mit Freunden über ihre Situation, ihre Gefühle, ihre Sehnsucht, ihre Enttäuschung und ihre Hoffnung zu sprechen, vermisst aber bald ihr Verständnis und Mitgefühl. Als sie allein mit all ihren Gefühlen nicht mehr zurechtkommt, sucht sie den Kontakt zu den Frauen, die Ähnliches durchlebt haben. Sie gründet eine Selbsthilfegruppe.

"In der Rolle der Geliebten erfahren Frauen - und natürlich vereinzelt auch Männer - eine doppelte Isolation: Sowohl innerhalb der Beziehung als auch gesellschaftlich verkörpern sie ein Tabu. Die besondere Beziehungskonstellation führt nur in wenigen Fällen zu einer Entscheidung für die Geliebte. Es entsteht also eine Isolation, die allein schwer zu bewältigen ist, da häufig soziale Netzwerke wegbrechen.

Hier kann eine Selbsthilfegruppe entlastend sein, weil sie einen geschützten Rahmen für die Betroffenen bietet und darüber hinaus Menschen darin bestärkt, neue Kontakte zu knüpfen. Für Anne war die Selbsthilfegruppe ein persönlicher Neuanfang.

Die neue Selbsthilfegruppe für ehemals Geliebte ist zu erreichen über: KISS Hamburg Selbsthilfe-Telefon 040/39 57 67, Mo-Do, 10-18 Uhr, www.kiss-hh.de