Immer mehr Hamburger Schüler bevorzugen die zweite Weltsprache - auch wegen besserer Zukunftschancen

Hamburg. "Corazón", sagt Stojana. Das C spricht sie wie ein K aus, das R wird gerollt, und bei der letzten Silbe schiebt Stojana ihre Zunge zwischen ihre Vorderzähne. Das spanische Wort, das übersetzt Herz heißt, ist das Lieblingswort der 13-Jährigen. "Ich wollte diese schöne Sprache unbedingt lernen", sagt sie.

Und damit ist sie nicht allein. Immer mehr Hamburger Schüler wählen Spanisch als zweite Fremdsprache. "Dieser Trend zeichnet sich seit gut zehn Jahren ab und geht zulasten von Französisch", sagt eine Sprecherin der Schulbehörde. Während 2006 noch rund 60 Prozent weniger Schüler Spanisch als Französisch lernten, waren es 2010 nur noch gut 20 Prozent weniger.

"Das liegt hauptsächlich daran, dass Spanisch nach Englisch die zweite Weltsprache ist", sagt Prof. Andreas Bonnet, 41, der sich an der Universität Hamburg auf Fremdsprachendidaktik spezialisiert hat. Französisch hingegen wurde bisher in Deutschland nur deshalb vermehrt gelehrt, da es eine direkte Grenze zu Frankreich gibt und so die Völkerverständigung gefördert werden sollte. Mittlerweile spielen für viele Eltern aber wirtschaftliche Faktoren und Zukunftschancen eine größere Rolle bei der Fremdsprachenwahl, weshalb sie Spanisch für ihre Kinder bevorzugen.

Denn nicht nur in Spanien heißt es "¿Qué pasa?", sondern auch in großen Teilen Mittel- und Südamerikas. Für rund 350 Millionen Menschen ist Spanisch Muttersprache, Französisch hingegen nur für gut 110 Millionen.

Sven Döring, 35, ist Spanischlehrer am Gymnasium Lerchenfeld auf der Uhlenhorst. "Spanisch ist gerade am Anfang leichter zu lernen als Französisch, und es sind schnell Fortschritte zu erkennen", sagt er. Auch die Aussprache sei einfacher. "Außerdem gibt es häufig Musik und Filme in dieser Sprache, sodass die Schüler ihr Spanisch im Alltag auch nutzen können", sagt Döring, der Klassenlehrer der 7b, einer bilingualen Klasse, ist. Das bedeutet, dass Spanisch nicht nur als erste Fremdsprache gelehrt wird, sondern je nach Jahrgangsstufe auch Fächer wie Geografie, Geschichte oder Biologie in dieser Sprache unterrichtet werden. Da es bereits viele deutsch-spanische Kindergärten und Grundschulen gibt, soll den Schülern so ermöglicht werden, das dort Gelernte am Gymnasium fortführen zu können. Ziel ist ein bilinguales Abitur.

In der 7b sitzen Spanisch-Muttersprachler neben Schülern, die erst seit der ersten Klasse oder dem Wechsel aufs Gymnasium diese Sprache lernen. Die unterschiedlichen Vorkenntnisse machten den Unterricht zunächst schwierig. "Aber die, die schon besser waren, haben uns Quereinsteigern geholfen, und jetzt geht es ganz gut", sagt Stojana, die erst am Gymnasium Lerchenfeld mit dem Spanischen begann. Englisch sehen viele ihrer Mitschüler gar nicht mehr als zusätzliche Fremdsprache, sondern vielmehr als Selbstverständlichkeit an. Die meisten wollen auch weiterhin Französisch lernen, aber eben erst als Drittsprache, nach Spanisch. "Ich wollte erst einmal mit dem Leichteren anfangen", sagt Melissa Höke, 12, aus Marienthal.

Dies stellt auch neue Herausforderungen an die Lehrmethoden. "Im Gehirn werden alle Sprachen vernetzt gespeichert, eine Trennung wäre künstlich", sagt Erziehungswissenschaftler Prof. Bonnet. Deswegen wird beim Unterrichten einer neuen Sprache auch häufig auf bereits bekannte Muster aufgebaut. Bei ähnlichen Sprachen wie den romanischen, zu denen auch Spanisch, Französisch und Italienisch gehören, fällt es dann leichter, eine neue hinzuzulernen. Deshalb müssen sich auch die Lehrkonzepte an Hamburger Schulen der neuen Fremdsprachenreihenfolge anpassen.