Immer weniger Schüler zieht es für ein Jahr in die Ferne. Nur noch 400 Hamburger sind es in diesem Jahr.

Wie Daniel Dörffler werden in den kommenden Wochen wieder einige Hundert Schüler mit gepackten Koffern am Hamburger Flughafen stehen. In den vergangenen Jahrzehnten war der Schüleraustausch immer beliebter geworden. Doch als die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre verkürzt wurde, gingen die Zahlen drastisch zurück: Während 2006/2007 noch 672 Schüler aus Hamburg ins Ausland gingen, waren es im vergangenen Schuljahr knapp 400. Eltern sind verunsichert, denn die Vorstufe - die klassische Zeit für das Auslandsjahr - gibt es nicht mehr.

"In Schleswig-Holstein, wo die Schulzeit noch nicht verkürzt ist, bleiben die Zahlen konstant", sagt Wiebke Bretting von der Austauschorganisation YFU. "Man kann also davon ausgehen, dass die Einbrüche bei den Bewerberzahlen auf die kürzeren Schulzeiten zurückzuführen sind."

Auch die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung hat nach der Schulreform mit verunsicherten Eltern gerechnet. "Schülerinnen und Schüler haben weiterhin die Chance, ein Jahr im Ausland zu verbringen - auch im zwölfjährigen Bildungsgang", sagt Jan Bruns, stellvertretender Sprecher der Behörde. "Wenn sie die zehnte Klasse ins Ausland gehen, können sie bei entsprechenden Leistungen nach ihrer Rückkehr nahtlos in die elfte Klasse einsteigen."

Daran denkt Daniel Dörffler noch nicht. Doch auch sein Reiseziel China ist noch sehr weit weg. Ein Bildband über die chinesischen Provinzen vermittelt erst einmal keine Nähe. Eine Gastfamilie hat der 15-Jährige noch nicht - dafür aber schon mit einigen Klischees aufgeräumt. "Die essen gar nicht so viel Hunde und Katzen", sagt Daniel. China, das ist auch das Land der Medienzensur und Menschenrechtsverletzung. "Aber man sollte ein Land nach den Menschen beurteilen und nicht an der politischen Führung", sagt Daniel. Einen Kulturbruch wird es auch für den 15 Jahre alten Jakob Ketels aus Eimsbüttel geben - obwohl er in die USA geht. Er lebt dort für zehn Monate in einer Mormonen-Familie in Utah. Zwei oder dreimal in der Woche besuchen seine Gasteltern die Kirche. "Ich möchte auf jeden Fall am Sonntag mit zum Gottesdienst gehen", sagt Jakob. Aber er wäre auch froh, wenn das dann ausreicht. Vor allem die Begeisterung für den Sport zieht Jakob in die USA. Er will fit sein und läuft deshalb nachmittags ein paar Runden extra durch Planten un Blomen.

Bei Karla Groth war es die Sprache. "Französisch ist so schön", sagt sie. In wenigen Tagen tauscht die 15 Jahre alte Gymnasiastin die Großstadt gegen das kleine Lézignan im Süden Frankreichs. Für die Austauschschüler beginnt am Flughafen auch eine Reise ins Erwachsenwerden. Abends, wenn Karla im Bett liegt, kriechen die Sorgen in ihr hoch. Wird sie Freunde finden? Heimweh haben?

Das sind Fragen, die auch Melina Wüsten vor ihrem Abflug nach Argentinien beschäftigen. Doch seitdem die 15 Jahre alte Schülerin ihre Gastfamilie kennt, überwiegt bei ihr die Vorfreude. Sie hat sich Argentinien ausgesucht, weil das Land so gut zu ihr passt - schließlich ist die "Argentinische Rückhand" in der Hockeywelt berühmt. Und Melina spielt seit Jahren Hockey im Verein. Vor der Abreise will sie noch viel Zeit mit ihrer Familie verbringen. Am letzten Abend gehen sie alle gemeinsam essen. Melina wird sich Wiener Schnitzel mit Pommes bestellen. Typisch deutsch.