Eine neue Verordnung stößt auf massive Kritik. Doch Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar reagiert gelassen.

Hamburg. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar ist ein beschäftigter Mann. Nicht nur Google Street View bereitet ihm derzeit viel Arbeit, auch die Behörde für Schule und Bildung zählt zu seinen aktuellen Kunden. Die denkt nämlich darüber nach, Informationen über sogenannte Sinus-Milieus für 941 statistische Gebiete Hamburgs zu erwerben.

Wie die "taz" berichtete, habe ein Mitarbeiter des Neusser Marktforschungsunternehmens microm die Daten, anhand derer Einwohner in Typen kategorisiert werden, Behördenmitarbeitern in einem Workshop wärmstens angepriesen: Mit ihrer Hilfe ließe sich der Zugang zu bildungsfernen Schichten aufbrechen.

Wer diese "microgeografischen" Daten kauft, weiß, mit welcher Sorte Mensch er es wo zu tun hat. Unternehmen bedienen sich gerne Infos dieser Art, um ihre Produkte zielgruppengerecht anbieten zu können. Das der Schulbehörde zugeordnete Amt für Weiterbildung denkt darüber nach, solche Daten für das von der Bundesregierung und diversen Stiftungen finanzierte Projekt "Lernen vor Ort" zu verwenden. Dabei handele es sich aber nicht um detaillierte Infos zu Sinus-Milieus einzelner Straßenzüge oder gar Häuser, sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Schulbehörde. Die infrage kommenden Daten seien daraus hergeleitet und machten lediglich Aussagen darüber, "mit welcher Wahrscheinlichkeit welche Region welchem Milieu zugeordnet werden kann". Danach könnte zumindest folgende Aussage getroffen werden: In Raum Bahrenfelder Straße in Altona ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, hier das Milieu "Hedonisten" - das ist laut microm die "spaßorientierte Mittel- bis Unterschicht auf der Suche nach Fun und Action" anzutreffen.

"Wir haben noch nichts gekauft", sagt Köhnlein. "Wir befinden uns derzeit in einer Phase der Vorüberlegung, ob man solche Studien überhaupt für das Projekt nutzen kann."

Wenn jemand diese Infos erst mal besitze, werde er sie auch verwenden, befürchtet Behördenkritiker und Schulreformgegner Walter Scheuerl. "Am Ende ist die Gefahr, dass Kinder nach ihrem sozialen Umfeld beurteilt werden, zu hoch."

Der Rechtsanwalt hat Johannes Caspar eingeschaltet. Die Einschätzung des Datenschützers nach einem ersten Eindruck: "Wir gehen der Frage nach, ob hier personenbezogene Daten erhoben werden", so Caspar. "Bislang haben wir nicht das Gefühl, dass wir zu einem alarmierenden Ergebnis kommen." Erhebungen, die statistische Wahrscheinlichkeiten abbilden und keinen Rückbezug auf Personen ermöglichen, seien datenschutzrechtlich unbedenklich.

"Vorsicht ist angezeigt, wenn statistische Daten mit einzelnen Personen verknüpft werden sollen." Caspars zweite Behördenbaustelle ist eine neue Schul-Datenschutzverordnung, die in diesen Tagen ihren Weg durch die Entscheidungsgremien geht. Elternkammer sowie die Scheuerl-Initiative "Wir wollen lernen" wenden sich massiv dagegen. Nach der neuen Verordnung sollen künftig Herkunftsdaten der Schüler, gesundheitliche Besonderheiten, Korrespondenzen mit den Eltern oder Infos über die Teilnahme an Schulveranstaltungen gesammelt werden. "Der Datenschutz wird durch die neue Verordnung nicht aufgeweicht", betont Köhnlein. "Sie regelt all das, was in der bisherigen Verordnung nicht oder verstreut in anderen Verordnungen geregelt war." Caspar: "Bei verschiedenen Punkten besteht noch Abstimmungsbedarf. Hierfür wird sich im weiteren Verfahren noch Gelegenheit ergeben."