Mit dem finnischen Schulprogramm Muuvit sammeln die Kinder durch viel Action im Alltag Kilometer für die virtuelle Reise.

Neugraben-Fischbek. Von Hamburg geht es erst mal nach Amsterdam. Da wollten die Kinder immer schon mal hin. Die Reise führt weiter durch Belgien und Frankreich inklusive Abstecher nach Paris, versteht sich. Die nächste Etappe ist dann auch schon Istanbul.

Die Kinder der Klasse 3a der Schule Am Falkenberg haben die Stadt am Bosporus ganz bewusst zum Ziel ihrer Europatour gewählt. Klassenkamerad Hassan wird nämlich mit seiner Familie im Februar dorthin ziehen. Die Freunde wollen eine Abschiedsreise mit ihm unternehmen und ihn schließlich in der Türkei absetzen. Da kommt den Jungen und Mädchen das Projekt "Muuvit Abenteuer" gerade recht. Über das finnische Gesundheits- und Bewegungsprogramm können die Kinder Kilometer sammeln, ihren Freund - virtuell - vorab auf seiner Reise in die türkische Heimat begleiten und sogar etwas über das Leben der Menschen in der türkischen Stadt erfahren.

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) hat Muuvit aus dem Pisa-Spitzenreiter-Land Finnland nach Hamburg geholt. Im Fokus des Projektes stehen viel Bewegung in Kombination mit gesunder Ernährung. Im Vordergrund steht der gemeinsame Spaß.

Gestern starteten die Drittklässler in Neugraben-Fischbek als eine der ersten Schulklassen Hamburgs das Muuvit-Abenteuer mit prominenter Unterstützung. HSV-Mittelfeldspieler Gojko Kacar und Vereinskollegin und Nationalspielerin Kim Kulig waren in die Schule am Falkenberg gekommen, um als Paten mit den Kindern das Projekt auf den Weg zu bringen. Muuvit funktioniert nur über die reale Bewegung. Jedes Kind bekommt eine Bewegungskarte, in die es jedes Mal ein Kreuz einträgt, wenn es sich zehn Minuten lang bewegt hat, Schulsport nicht mitgerechnet. Gemeint ist die Alltags-Action, das Wettrennen auf dem Schulhof, Kicken mit den Freunden auf dem Sportplatz, "oder auch zu Fuß zur Schule gehen", sagt Hassan. "Oder mit dem Papa am Wochenende Fahrrad fahren", fügt Jonathan hinzu.

"Die Zahl der Kinder, die im Sportverein aktiv sind, steigt zwar stetig", sagt Benjamin Schoth von der Abteilung Prävention, Intervention und Beratung des LI-Hamburg. "Aber wir wissen auch, dass sich Kinder im Alltag kaum noch bewegen. Sie werden zur Schule gefahren und wieder abgeholt. Sie verbringen den Nachmittag und das Wochenende mit Playstation oder vorm Computer."

Das soll Muuvit ändern. Die Klasse sammelt die Kilometer der einzelnen Kinder, rechnet sie zusammen und legt gemeinsam im Unterricht auf einer Abenteuer-Landkarte und im Internetportal virtuell die entsprechende Strecke zurück, bekommt jede Menge Infos über Städte, die sie auf ihrer Reise besuchen. Sie lernen Sehenswürdigkeiten kennen, erfahren mehr über die Ernährungsgewohnheiten in den Ländern.

Auf ihrer Reise nach Istanbul wird die Klasse 3a nach dem Treffen mit HSV-Profi Gojko Kacar nun auch Station in Serbien machen. "Das ist meine Heimat", so der 23-jährige Sportler und liefere erste reale Infos über sein Land. "Da gibt es viele gute Fußballer", so der serbische Nationalspieler. "Wir haben schließlich das WM-Spiel gegen Deutschland gewonnen." Wie er Fußball-Profi geworden sei, wollten die Jungen und Mädchen von Gojko wissen. "Ich habe viel gegessen und vor allem viel trainiert", lautete die Antwort. Von Kim Kulig wollten die Schulkinder schließlich erfahren, was sie nach ihrer Fußballerinnen-Karriere vorhat. "Auf jeden Fall was mit Sport und mit Bewegung", so die Stürmerin.

Sich viel zu bewegen sei nicht nur für Leistungssportler, sondern für jeden Menschen wichtig, so Gojko. "Ich finde es toll, dass ihr euch bewegt und gleichzeitig so viel über fremde Länder erfahrt. Wenn ich mitmachen dürfte, würde ich auch nach Belgrad, die Hauptstadt meiner Heimat, reisen." Bewegen wollen sich die Kinder jetzt mindestens genauso viel wie die Vorbilder Gojko und Kim. Ziel des Muuvit-Programms ist es, die Kinder langfristig auf zwei bis drei Stunden Bewegung am Tag einzustimmen. "Wir wollen die Sichtweise der Kinder auf Bewegung im Alltag verändern", sagt Benjamin Schoth "Wir setzen darauf, dass die Kinder ihre neuen Erfahrungen in die Familien tragen. Wenn sie zu ihren Eltern sagen, du musst mich nicht zur Schule fahren, ich laufe lieber, dann hat Muuvit sein Ziel erreicht."

Muuvit ist auf drei Wochen angelegt. Seit dem 1. November stellt das LI-Hamburg das Programm den Schulen in der Hansestadt kostenlos zur Verfügung. 25 Schulen machen bereits mit. "Das heißt, wir haben bisher rund 1000 Schüler mit Muuvit erreicht", so Schoth. Mehr seien gewünscht.