Die Erfahrungen aus einem Entwicklungshilfeprojekt werden an der Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg genutzt

Hamburg. Jedes zehnte Schulkind hat Angst vor der Schule, jedes dritte Schulkind ist in Deutschland schon einmal gemobbt worden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Universität Lüneburg. Auch körperliche Gewalt ist keine Ausnahme.

An der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude sind diese Probleme nicht größer als anderswo, dennoch beteiligt sich die Stadtteilschule mit Gymnasialzweig am Projekt "Lernen ohne Angst" von Plan International. Das Kinderhilfswerk hatte die globale Kampagne "Lernen ohne Angst" vor zwei Jahren in einer Reihe von Entwicklungsländern ins Leben gerufen, bislang haben sich 44 Länder beteiligt. "Gewalt an Schulen führt zu unentschuldigtem Fehlen, Leistungsschwäche und einer hohen Abbrecherquote", sagt Marianne Raven, Geschäftsführerin von Plan International. Darin unterscheidet sich Deutschland nicht von den Entwicklungsländern. Und deshalb werden die positiven Erfahrungen aus Ländern wie Ecuador, Kolumbien oder Uganda nun auch in Hamburg genutzt.

Gabriele Vennemann, die Klassenlehrerin der 10 d, musste nicht lange darüber nachdenken, ob sie sich mit ihrer Klasse, einer von drei an der Schule, beteiligen sollte, auch wenn es keine speziellen Probleme gab: "Soziales Lernen tut jedem gut", sagt sie.

"Als Erstes haben wir eine Projektwoche gemacht", erzählt Pascal Zühlke aus der neunten Klasse. "Wir sollten als Team arbeiten und haben auch Spiele gemacht, um als Klasse ein Team zu werden", so der 14-Jährige.

Es habe davor nie großen Zoff gegeben, höchstens kleine Beleidigungen und Sticheleien. "Die Projektwoche hat den Zusammenhalt in der Klasse sehr gefördert", sagt Gabriele Vennemann. Wichtig sei auch der Umgangston in der Schule. "Wie man miteinander redet, dafür müssen alle ein Gefühl bekommen. ,Esel' kann für den einen ein Schimpfwort sein, für einen anderen nicht." Es gehe darum, einen Konsens zwischen allen Schülern hinzubekommen.

In einer Befragung der Schüler, die die Projektgruppen selbst organisierten, ging es um drei Themenkomplexe: um das Miteinander an der Schule, die gerechte oder ungerechte Behandlung durch die Lehrer und die Ausgrenzung unter Schülern. "Da die Schüler den Fragebogen selbst entwickelt haben, thematisierten sie ganz andere Frage als von uns erwartet", sagt Susanne Hilbig-Rehder, didaktische Leiterin der Heinrich-Hertz-Schule. Erstaunlicherweise ging es nicht um die Bedeutung der "richtigen" Klamotten oder darum, ob an der Schule viel abgezockt oder geprügelt wird. "Diese Themen spielte aus Sicht der Schüler offenbar keine Rolle", sagt Vennemann. "Ich hätte vielleicht andere Fragen erwartet", sagt sie offen.

Die Ergebnisse der Befragung, an der sich 945 Schülerinnen und Schüler beteiligt hatten, floss in den Aktionsplan ein, der in diesem Schuljahr umgesetzt werden soll. Heute Abend werden sich dazu die Delegierten, zu denen Schüler, die Schülervertretung und Vertrauenslehrer gehören, treffen und die konkreten Vorhaben für das laufende Schuljahr besprechen.

"Die Schüler haben sich beispielsweise gewünscht, dass es in jedem Jahr Projekttage zum Thema Gewalt gibt", sagt Didaktikleiterin Hilbig-Rehder. Auch regelmäßige Fortbildungen für alle Lehrer dazu stehen auf dem Plan. Ein Wunsch der Schüler sei auch, dass Eltern verpflichtet werden, zu Elternsprechtagen zu kommen.

Das Pilotprojekt, an dem auch noch die Erich-Kästner-Gesamtschule und das Schulzentrum Heimgarten in Ahrensburg teilnehmen, soll ausgeweitet werden. Plan entwickelt derzeit mit dem Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation, das das Projekt begleitet, eine Methodenmappe, damit auch andere Schulen "Lernen ohne Angst" umsetzen können.