An der Heinrich-Hertz-Schule wird das Bewegungstalent der Schüler getestet. Erste Leichtathletikklasse soll entstehen.

Winterhude. "Wie viele Runden habe ich geschafft?" stöhnt Felix von Rönne, bevor er erschöpft auf die Bank sinkt. Als er erfährt, dass es 24 waren, schreibt sich die Enttäuschung in das Gesicht des Elfjährigen: "Nur?" 24 Runden à 54 Meter: Kein anderes Kind aus der Klasse 6h der Winterhuder Heinrich-Hertz-Schule hat innerhalb des Zeitbudgets von sechs Minuten so viel geschafft. Dass sich Felix dennoch nicht zufriedengibt, nimmt Julian Battmer wohlwollend zur Kenntnis: "Ohne einen gewissen Ehrgeiz kommt man nicht weiter", sagt er, zückt sein Klemmbrett und notiert sich die Ergebnisse.

Eine Woche lang lässt der Sichtungstrainer des Hamburger Leichtathletik-Verbandes (HHLV) die Fünft- und Sechstklässler der Gesamtschule am Grasweg im Rahmen des regulären Sportunterrichts zum Dreikampf antreten. Neben dem Ausdauertest gehören noch ein Weitsprung aus dem Stand und ein Wurf mit dem Basketball dazu, der im Liegen auszuführen ist.

Am Ende jeder Stunde sind zwei, drei, manchmal vier Namen auf Battmers Klemmbrett gelb markiert: Diese Kinder erhalten eine Einladung zum Training der Leichtathletikabteilung des HSV, was Arne Hinrichsen "cool" findet. Der HSV ist schließlich sein Verein, auch zum Schulsport trägt der Zehnjährige die Farben des Fußball-Bundesligisten. Aber Leichtathletik? "Dafür habe ich eigentlich gar keine Zeit, neben Fußball und Tennis."

Dass andere Sportarten dem olympischen Urgestein Leichtathletik längst den Rang abgelaufen haben, ist auch dem HHLV nicht verborgen geblieben. Sämtlichen Hamburger Schulen hatte der Verband deshalb das Angebot einer Sichtungswoche gemacht, je nach Lage der Schule übernahmen verschiedene Vereine die Patenschaft. Das Interesse ist groß: Bis Ende März ist Battmer, 24, ausgebucht. Nicht nur für viele Schüler sei es eine Begegnung mit dem Fremden: "Auch viele Lehrer sind in der Leichtathletik nicht richtig firm." Zudem fehlen vielerorts häufig die Hallen in ausreichender Größe.

An der Heinrich-Hertz-Schule ist zumindest das kein Problem. Sportlehrerin Kerstin Eichstädt bereitet ihre Klasse 6h gerade auf die Bundesjugendspiele vor. Die Begeisterung für die Leichtathletik aber halte sich auch bei ihren Schülern in Grenzen: "Ballsportarten sind eindeutig beliebter."

Ob am Ende viele der talentierten Schüler zur Leichtathletik kommen? Beim Verband will man sich darauf offenbar nicht verlassen und geht den umgekehrten Weg: Die Leichtathletik kommt zu den Schülern. Im kommenden Sommer wird an der Heinrich-Hertz-Schule eine Leistungssportklasse gegründet. Die 22 Schüler sollen in der Woche nach den Herbstferien bei einem Sichtungstraining in der Leichtathletikhalle gefunden werden, zu dem die Grundschulen aus dem Dunstkreis ihre talentiertesten Viertklässler entsenden können.

"Unser Ziel ist, die Leichtathletik zu zentralisieren und eine Ausbildung von Grund auf anzubieten", sagt Frank Thaleiser. Die neue Partnerschule hat der Geschäftsführer des HHLV mit Bedacht gewählt: Laufen, Werfen und Springen haben an der Heinrich-Hertz-Schule Tradition, schon jetzt gibt es in jedem Jahrgang je eine sogenannte Profilklasse mit entsprechendem Schwerpunkt. Wichtiger noch: Jahnkampfbahn und Leichtathletikhalle sind als zentrale Trainingsstätten vom Schulgelände nur einen Fußmarsch durch den Stadtpark entfernt. Die kurzen Wege hält Thaleiser für "unabdingbar".

Ein Lehrer-Trainer, der auch für den Verband tätig ist, soll die Gestaltung des schulischen Sportunterrichts übernehmen, zusätzlich wird es nachmittags Trainingsangebote geben. Die Vereinszugehörigkeit spielt keine Rolle. "Einige Vereine können es in dieser Altersklasse gar nicht leisten, so gezielt auszubilden, weil es an qualifiziertem Personal fehlt", weiß Thaleiser. Hier seien Talente oftmals auf sich allein gestellt. Im Klassenverband zu trainieren hingegen sei als Gemeinschaftserlebnis noch besonders motivierend.

Eva Kruse könnte am Ende dazugehören. Battmer hat sich den Namen der Zwölfjährigen notiert: "Sie ist eine von denen, deren Talent im normalen Sportunterricht gern übersehen wird." Ob sie zum Leichtathletiktraining gehen würde? "Bestimmt", sagt Eva, "mein Papa will das auch gern."