43 Prozent der Viertklässler können nicht schwimmen. Die Lehrschwimmbecken werden für 3,35 Millionen Euro saniert

Hamburg. Für Mütter und Väter ist es ein Moment des Hochgefühls, wenn ihre Kinder endlich schwimmen und das am besten mit einem Schwimmabzeichen nachweisen können. Vor allem aber bedeutet es für Eltern Erleichterung, weil sie weniger Angst haben müssen, dass ihre Kinder ertrinken könnten. Nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ist die Zahl der Kinder, die schwimmen können, allerdings seit Jahren rückläufig.

Der negative Trend könnte bald enden: Noch in diesem Jahr werden sieben der acht Hamburger Lehrschwimmbecken wieder in vollem Umfang in Betrieb gehen. Zu verdanken ist dies einer Reihe von Hamburger Sportvereinen und gemeinnützigen Vereinen, die die Bäder künftig in Eigenregie führen werden. "Das ist ein Meilenstein", sagt Bernard Kössler vom Referat Sportinfrastruktur beim Hamburger Sportbund, der die Sanierungsarbeiten im Auftrag der Stadt und der Trägervereine koordiniert.

Vor allem Hamburgs Kinder und Jugendliche haben dringenden Aufholbedarf. "43 Prozent der Viertklässler können nicht schwimmen", zitiert Heiko Mählmann, Vizepräsident der DLRG Hamburg, aus der Antwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage an den Senat. Für eine Stadt am Wasser seien diese Zahlen "ein Armutszeugnis", so Mählmann. "Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der sozialräumlichen Umgebung und der Schwimmkompetenz." In wohlhabenden Stadtteilen wie Blankenese könnten bis zu 100 Prozent der Kinder nach der vierten Klasse schwimmen, in Harburg oder Horn gebe es dramatische Nichtschwimmerquoten. Und auch nach den sechsten Klassen gibt es noch sieben Prozent Nichtschwimmer, in sozial schwächeren Stadtteilen sind es an einigen Schulen bis zu 40 Prozent.

Die Lehrschwimmbecken, die bislang im Besitz der Stadt waren, werden derzeit für 3,35 Millionen Euro saniert. "Das Geld dafür kommt aus dem Konjunkturpaket II, etwa eine Million Euro aus den Bezirken, Eigenanteile decken die Restfinanzierung", so Kössler.

Zukunftsfähig sollen die Lehrschwimmbecken Bramfelder Weg (Wandsbek), Swatten Weg (Altona), Eberhofweg (Nord), Steinadlerweg (Mitte), Lohkampstraße, Turmweg und Paul-Sorge-Straße (Eimsbüttel). Nur für das Becken in der Mendelsohnstraße (Altona) wird laut Behörde für Kultur, Sport und Medien noch intensiv nach einem Träger gesucht.

Nach der Schließung von fünf der Lehrschwimmbecken, die in den 60er-Jahren auf dem Gelände von Grundschulen erbaut wurden, hatte die Bäderland Hamburg GmbH 2006 das Schulschwimmen übernommen. "Es ist in den Klassen drei oder vier und sechs obligatorisch", sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Bildungsbehörde. Dieser im Lehrplan festgeschriebene Schwimmunterricht soll auch weiterhin in den Bäderland-Einrichtungen stattfinden. Nach Angaben von Bäderland-Sprecherin Kirsten Morisse werden jährlich 25 000 Kinder beim Schulschwimmen unterrichtet. "Zusätzlich können die Schulen weitere Angebote machen und bei einem anderen Lehrschwimmbecken-Betreiber Benutzungszeiten mieten", so Köhnlein.

"Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder frühzeitig schwimmen lernen", sagt Kössler. Dafür seien die Lehrschwimmbecken geeignet.

Die Schwimmschule Niendorf, die der Niendorfer TSV im Lehrschwimmbecken in der Paul-Sorge-Straße etablieren will, will ihre Arbeit nach den Herbstferien aufnehmen. "Uns machen die Folgekosten schon Sorgen, aber wir machen das für Niendorf. Ich halte das für den Stadtteil für sehr wichtig", sagt Mike Schreiber, Geschäftsführer des Niendorfer TSV, der das Lehrschwimmbecken übernimmt.

"Wir haben in Hamburg generell zu wenig Schwimmzeiten", sagt Michael Schumann, Landesschwimmwart beim Hamburger Schwimmverband, der etwa 50 Vereine vertritt. Bei den großen Vereinen gebe es überall Wartezeiten. Das beklagt auch die DLRG: "Wir kriegen in den Sommerferien die gewünschten Bäderzeiten bei Bäderland nicht. Wir sind ja im Grunde eine Konkurrenz", sagt Vizepräsident Mählmann. "Eigentlich müssten wir uns in Hamburg alle unterhaken und schauen, dass alle Kinder schwimmen lernen."

Bäderland-Sprecherin Morisse weist die Kritik zurück: "Es können zusätzliche Bahnen zur Verfügung gestellt werden, aber nicht kostenlos und nicht an jedem Standort zur gewünschten Zeit. Die DLRG verlangt für ihre Kurse auch etwa 100 Euro, aber sie muss keine Schwimmbäder unterhalten. Das Unternehmen Bäderland betreibt nicht nur Schwimmbäder, sondern baut auch neue Schwimmbäder wie MidSommerland, Bille-Bad, Festland", so Morisse. "Für eine solide, wirtschaftliche Basis eines Schwimmbads muss die Investition in vernünftigem Maß zurückverdient werden."