Die Schulbehörde sucht Pädagogen mit Migrationshintergrund. Mit ihren Erfahrungen sollen sie Schüler integrieren und anspornen.

Hamburg. Die Hälfte aller Schüler in Hamburg hat ausländische Wurzeln. Unterrichtet werden sie allerdings fast ausschließlich von deutschen Lehrern. Denn nur zwei Prozent der Lehrkräfte im Schuldienst haben einen Migrationshintergrund.

Die Schulbehörde der Hansestadt will jetzt im Schulterschluss mit Stiftungen und Initiativen das Missverhältnis ändern. Der Anteil der Lehrer mit Migrationshintergrund soll in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden. Heute um 15 Uhr startet im Landesinstitut für Lehrerbildung in Kooperation mit der "Zeit"-Stiftung die 1. Interkulturelle Fachmesse. Die Tagung ist zugleich der Start des Netzwerks "Lehrkräfte mit Migrationhintergrund". Ziel ist das multikulturelle Lehrerzimmer.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte mit ihrer doppelten Kompetenz in der deutschen Sprache und der Herkunftssprache plus ihren Erfahrungen in zwei Kulturen eine Mittlerfunktion in der Schule einnehmen und die interkulturelle Qualifizierung fördern können.

Koordinieren werden das Netzwerk die türkischstämmige Pädagogin Hülya Ösün und ihr arabischstämmiger Kollege Faried Ragab im Landesinstitut mit je einer halben Stelle - neben ihren Tätigkeiten als Lehrer. Sie haben die Aufgaben, Lehrkräfte mit Migrationshintergrund zusammenzuführen und zu unterstützen und gemeinsam mit ihnen bei Schülern mit ausländischen Wurzeln für den Lehrerberuf zu werben. "Sie werden in der multikulturellen Zukunft der Hansestadt dringend gebraucht", sagt Hülya Ösün.

Reshad Rashidi ist 1996 mit seiner Familie aus Afghanistan nach Hamburg gekommen. Der Zwölftklässler hat erfahren, was es bedeutet, wenn eine Lehrerin mit Migrationshintergrund in einer multikulturellen Schule arbeitet. "In der zehnten Klasse hatten wir eine türkischstämmige Lehrerin. Sie hat uns Schüler mit ausländischen Wurzeln unheimlich gut zum Lernen motiviert. Seitdem wollen einige von uns Lehrer werden", sagt der Schülersprecher der Stadtteilschule Horn. "Ich glaube, dass Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte einen extrem wichtigen Beitrag für die Integration von Migranten leisten."

Die Herkunft der Lehrer mit Migrationshintergrund spielt offensichtlich keine große Rolle: "Lehrer ausländischer Herkunft, die selber Migration erlebt haben, können sich einfach besser in die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einfühlen", sagt Hülya Ösün, die an der Stadtteilschule Altona die Fächer Deutsch und Türkisch unterrichtet. Die 49-Jährige ist im Alter von fünf Jahren von Istanbul nach Hamburg gekommen. Sie weiß, was es heißt, als Migrantin in einer deutschen Stadt aufzuwachsen.

"Als Lehrerin mit Migrationshintergrund bin ich Vorbild - sowohl für Schüler ausländischer Herkunft als auch für deutsche Kinder und Jugendliche", sagt Ösün. "Die einen lernen, dass auch sie anspruchsvolle Berufe ergreifen können. Die anderen sehen, dass Migranten nicht nur einfache Tätigkeiten erledigen."

So sieht das auch Faried Ragab. "Lehrer mit Migrationshintergrund haben in der Kommunikation mit Schülern mit Einwanderungsgeschichte eine andere Basis." So kämen Botschaften wie "Du musst an deiner Sprachkompetenz arbeiten" bei Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien sehr viel positiver an als von Lehrern mit deutscher Herkunft: nicht als Forderung, sondern als Chance. "Die sehen nämlich: Der kann das, dann schaffe ich das auch." Als Sohn eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter ist der 33-Jährige in Deutschland sozialisiert worden und arbeitet heute als Geschichts- und Sportlehrer am Margarethe-Rothe-Gymnasium in Bramfeld. Ein Ziel seiner Arbeit als Netzwerker sieht Faried Ragab auch in der Veränderung der Sichtweise auf Migranten, insbesondere auf Schüler. Der Fokus der Wahrnehmung von Migranten in Deutschland richte sich in den Integrationsdebatten selten auf die 85 Prozent, die erfolgreich im Leben und im Beruf stehen würden. "Das ständige Herausstellen jener problematischen 15 Prozent wirkt sich sehr demotivierend auf junge Menschen aus."

Die Netzwerkarbeit am Landesinstitut für Lehrerbildung ist zunächst auf drei Jahre begrenzt. "Ich hoffe, dass sie verlängert wird", sagt Hülya Ösün. "Denn solange die Gesellschaft zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund differenziert, ist unsere Arbeit nötig."