Nicht nur in Hamburg, auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird heftig über Schulstrukturen gestritten. Drei Länder, ein Problem

Hamburg. Im Streit um die Änderungen des Hamburger Schulgesetzes als Konsequenz aus dem Volksentscheid gegen die Primarschule ist die Kuh vom Eis - fast jedenfalls. Die vier Bürgerschaftsfraktionen von CDU, SPD, GAL und Linken sind den Forderungen der Volksinitiative "Wir wollen lernen" gestern in zentralen Punkten entgegengekommen. Damit ist sehr wahrscheinlich, dass das Schulgesetz in der heutigen Sitzung der Bürgerschaft abschließend geändert wird.

Wie von der Initiative gewünscht, wird die Beobachtungsstufe (Klassen 5 und 6) des Gymnasiums wieder in das Gesetz eingefügt. Auch der Begriff "Mittelstufe" (Klassen 7 bis 10) bleibt erhalten. Außerdem billigen die Fraktionen dem Gymnasium einen eigenen Bildungsauftrag zu, wie es früher der Fall war. Danach vermittelt das Gymnasium seinen Schülern "eine vertiefte allgemeine Bildung", während die Stadtteilschule "eine grundlegende und vertiefte allgemeine Bildung" anbietet.

Dagegen bleibt es bei dem Plan, die Grundschulempfehlung für die weiterführende Schule in der bisherigen Form abzuschaffen. An die Stelle tritt ein ausführliches Beratungsgespräch mit den Eltern, das auch schriftlich dokumentiert werden soll. Offen ist derzeit noch, in welchem Rahmen das Schulgesetz sogenannte Langformschulen (Grund- und Stadtteilschule unter einem Dach) zulässt. Die Volksinitiative hat die Sorge, dass hier das längere gemeinsame Lernen durch die Hintertür eingeführt werden könnte.

"Wir sind sehr nahe zusammengekommen. Beide Seiten haben sich bewegt", sagte der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe. "Ich bin optimistisch, dass der Volksentscheid im Schulgesetz für alle Seiten akzeptabel umgesetzt wird."

Gestern Morgen hatte es zunächst so ausgesehen, als ob es nun auch noch einen heftigen Koalitionskrach wegen des Schulgesetzes geben würde. Grund waren zwei Beschlüsse der CDU-Fraktion vom Abend zuvor. Die Unions-Abgeordneten verlangten plötzlich eine Zweiteilung der Gesetzesänderungen.

In der heutigen Bürgerschaftssitzung sollten nur die Passagen geändert werden, die unmittelbar mit dem Volksentscheid gegen die Primarschule zu tun haben. Alle weitergehenden Novellierungen, wozu zum Beispiel auch die Bestimmungen zu den sogenannten Langformschulen zählen, sollten nach dem Willen der Unions-Fraktion verschoben und später in einem weiteren Gesetz beschlossen werden.

Nach Abendblatt-Informationen reagierte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan in der Senatsvorbesprechung erbost auf die unabgesprochene Absicht zur Änderung des Fahrplans. Schnell stellte sich heraus, dass es keine inhaltlichen Gründe waren, die die CDU zum Kurswechsel veranlasst hatten. Kerstan konnte sich letztlich damit durchsetzen, heute doch das ganze Gesetzespaket auf die Tagesordnung zu setzen.

Ins Kuriose spielt der zweite Änderungswunsch der Union, mit dem sich die Fraktion allerdings durchsetzte. Obwohl CDU, SPD und GAL mit den Linken über die Schulgesetzänderung tagelang verhandelt haben, weigert sich die CDU-Fraktion, zusammen mit den Linken im Kopf des Antrags zu erscheinen. Die Lösung: Heute werden die Abgeordneten über zwei wortgleiche Anträge zur Änderung des Schulgesetzes abstimmen. Ein Text weist als Antragsteller CDU- und GAL-Fraktion aus, der andere SPD und Linke.

Gestern hat das Verfassungsgericht einen Eilantrag verworfen, der zum Ziel hatte, die Schulgesetzänderung in der Bürgerschaft zu verhindern. Damit wollten die drei Hamburger Kläger gegen den Volksentscheid erreichen, dass keine unkorrigierbaren Fakten geschaffen werden, bevor die Klage entschieden ist. Das Gericht kam einstimmig zu der Auffassung, dass die Bürgerschaft das Schulgesetz selbst dann ändern könnte, wenn bereits in einem Urteil festgestellt worden wäre, dass der Volksentscheid ungültig sei.