Das neues Schulgesetz bedroht den Sonderstatus der Gesamtschule. Eltern schrieben einen Protestbrief an ihren Abgeordneten.

Klein Borstel. Sie gilt seit mehr als 50 Jahren als eine von Hamburgs Vorzeigeschulen: gemeinsames Lernen bis Klasse zehn, von Anfang an Englisch- und Musikunterricht, kein Sitzenbleiben, Noten erst ab Klasse sieben - und die Vorbereitung auf das Abitur sowohl nach zwölf als auch nach 13 Jahren. Damit erfüllt die Albert-Schweitzer-Schule (ASS) in Klein Borstel mehr, als die Schulbehörde mit ihrer Reform durchsetzen wollte. Nach langem Ringen wurde ihr der Ausnahmestatus, der im vergangenen Jahr durch die geplante Schulreform vorübergehend auf der Kippe stand, per Schulgesetz wieder zuerkannt: Als Einzige konnte sie weitermachen wie bisher und musste sich nicht entscheiden, ob sie zur Primar- oder Stadtteilschule werden wollte.

Jetzt allerdings scheint die exponierte Stellung in Gefahr zu sein. Bei der Änderung des Schulgesetzes soll der entsprechende Paragraf gestrichen werden. "Die Behörde hat das Bestreben, uns mit den ehemaligen Gesamtschulen, die eine Grundschule unter ihrem Dach hatten, in einen Topf zu werfen", sagt Schulleiter Olaf Pahl. "Dann müssten wir aber auch die Bedingungen der Stadtteilschulen übernehmen - und das gefährdet unser Konzept." Die ASS wäre dann keine Angebotsschule mehr für ganz Hamburg, könnte nicht mehr ab der fünften Klasse eine zweite Fremdsprache unterrichten und nicht bis zur sechsten Klasse Berichtszeugnisse erteilen. Außerdem wäre es der zweizügigen Schule kaum möglich, eine Oberstufe einzurichten. "Erfahrungsgemäß haben wir etwa 45 Schüler pro Jahrgang, die nach der Zehnten aufs Gymnasium wechseln", sagt Pahl. "Wie sollen wir für die ein oberstufengerechtes Kurssystem einrichten?"

Viele Eltern sind fassungslos. "Gerade wurden zwei erste Klassen eingeschult. Die Eltern haben sich für diese Schule in dem Glauben an ein schulformübergreifendes Konzept entschieden und sind verunsichert", sagt Tamara Jarchow von der ASS-Elterninitiative. "Es wäre respektlos vom Senat, sich nicht an die Zusagen des vergangenen Jahres zu halten." Der Status der Schule sei im Gesetz festgeschrieben. "Die Eltern können mit Recht erwarten, dass sich daran auch nichts ändert."

Ihre Sorge haben Eltern der Albert-Schweitzer-Schule gestern in einem Rundbrief an alle 121 Bürgerschaftsabgeordneten geschickt. Ties Rabe, schulpolitischer Sprecher der SPD, signalisiert den Eltern und Lehrern Unterstützung: "Es ist notwendig für den Schulstandort Hamburg, den Ausnahmestand der Schule und damit ihre besondere Prägung zu erhalten". Und Michael Gwosdz von der GAL sagt: "Wir werden bei der Änderung des Schulgesetzes sicherlich eine Formulierung finden, die die Weiterarbeit der Schule in bewährter Art und Weise sichert." Auch die Schulbehörde versucht zu beschwichtigen. "Momentan besteht kein Grund für die Aufregung der Eltern", sagt Sprecherin Brigitte Köhnlein.

Schulleiter Olaf Pahl bleibt skeptisch: "Mir fehlt derzeit das Vertrauen in solche Äußerungen."