An der Haupt- und Realschule Fraenkelstraße in Barmbek wird den Schülern die Kunst zu leben vermittelt. Mit Erfolg. Sie gehen anders miteinander um.

Als Erste ist Sonyia (11) dran. "Du bist witzig. Du bist ein guter Schachspieler. Du verleihst oft Sachen", liest sie aus einem kleinen Heft mit einem großen Herzen drauf vor. Sofort schnellen die Arme hoch: "Das ist Lorenzo." Auf dem Gesicht des stämmigen Jungen breitet sich ein glückliches Lächeln aus. Die Nächste ist Michelle (10). "Du versuchst dich vernünftig in der Klasse zu verhalten. Du bist immer für andere da", haben ihre Mitschüler ihr ins Herzbuch geschrieben. Das Thema der Fünftklässler: Zeit für Komplimente.

Vierte Stunde an der Schule Fraenkelstraße in Barmbek. Auf dem Stundenplan steht das Fach LebensArt. "Wir wollen unseren Schüler die Kunst zu leben vermitteln", sagt Schulleiter Björn Lengwenus (37). Seine feste Überzeugung: "Wenn man in seinem Leben nicht zu Hause ist, braucht man gar nicht erst anzufangen mit Mathe, Deutsch oder Geschichte." Seit Anfang des Schuljahres läuft das Pilotprojekt an der Ganztagshaupt- und Realschule. In fünf Stunden in der Woche lernen die Schüler, sich zu entspannen, sich selbst wahrzunehmen, Vertrauen zu entwickeln, sich höflich zu verhalten oder auch die Stille genießen. "Die Kinder nehmen sehr viel mit. Der Umgang untereinander ist ganz anders geworden. Einfühlsamer", sagt Lehrerin Frederike Warnholtz (28), die das Fach mit Kollegin Rita Wingbermühlen (35) unterrichtet.

Damit haben die Barmbeker Pädagogen sich an die Spitze einer neuen Bewegung gesetzt. "Glück ist lernbar", sagt Eckart von Hirschhausen, Arzt, Kabarettist und Autor des Bestsellers "Glück kommt selten allein". Erst gerade forderte er im Abendblatt, Glück als Schulfach zu etablieren. "Im Prinzip ist es das, was wir machen", sagt Schulleiter Lengwenus. "Aber ich meine, LebensArt drückt besser aus, worum es geht." Gerade auch an seiner Schule seien viele Schüler aus Familien, denen es nicht so gut geht. "Sie haben wenig, auf das Motivation und Selbstbewusstsein fußen können. Deshalb müssen sie es hier lernen."

Einen Lehrplan gibt es nicht. "Die Inhalte müssen zur Situation in der Klasse passen", sagt Lehrerin Wingbermühlen. So entstand auch die Idee für das Dankbarkeitstagebuch, das die Schüler jede Woche schreiben. "Da schreiben wir rein, was wir erlebt haben", sagt Sean (10). "Und wofür wir dankbar sind." Bei Roger (11) war es Ostern mit vielen Schokoeiern. Johann (11) sagt: "Ich bin dankbar, dass ich so viele Freunde habe." Das Tagebuch ist eine Pflichtaufgabe, Klassenarbeiten oder Prüfungen gibt es nicht. Aber Zeugnisnoten. Eine Eins fürs Glücklichsein? "Nein", sagt Pädagogin Warnholz. "Wir haben geguckt, wie sich die Schüler darauf einlassen und mitmachen." Den Fünftklässlern gefällt das ungewöhnliche Schulfach offenbar. "Das sind ganz andere Stunden", sagt Michelle. An diesem Schulmorgen endet sie nach einem Vertrauensspiel auf dem Schulhof. "Alle setzen sich und genießen die Sonne. Aber Ruhe, bitte", lautet die Aufgabe. Was hat Denis (11) noch vorhin gesagt?: "Wir lernen, dass man auch Spaß im Leben haben kann, wenn man erwachsen ist."