Opposition klagt, dass allgemeine Schulen zu wenig Sonderpädagogik geben. “Behörde rechnet Bedarf herunter.“

Hamburg. "Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen. Sie werden dort gemeinsam mit Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf unterrichtet und besonders gefördert." So bestimmt es Paragraf 12 des neuen Schulgesetzes - das ist die Theorie.

Inklusion (Einschluss) heißt das neue Zauberwort zur Integration der Menschen mit Behinderungen. Hamburg folgt mit dem Rechtsanspruch auf den Besuch einer Regelschule der Uno-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Doch darüber, wie genau das neue Prinzip zum kommenden Schuljahr umgesetzt werden soll, gibt es Streit. Der SPD-Schulexperte Ties Rabe wirft der Schulbehörde vor, die Inklusion behinderter Schüler an allgemeinen Schulen mit einem Sparkonzept starten zu wollen. "Pro Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache und sozialemotionale Entwicklung sollen jeweils nur eine bis 1,5 Unterrichtsstunden Sonderpädagogik bereitgestellt werden. Das ist zu wenig", sagt Rabe. In den bisherigen Modellversuchen Integrationsklassen oder Förderzentren seien es drei bis vier Stunden pro Kind.

Aus Rabes Sicht hat die Schulbehörde einen "Trick bei der Berechnung" angewendet. "Der ohnehin an allen Schulen erteilte reguläre Förderunterricht für Kinder ohne Behinderungen wird in Bezug auf behinderte Kinder als sonderpädagogischer Förderunterricht umetikettiert", sagt Rabe. Dadurch werde der zusätzliche Bedarf der Kinder mit Behinderung heruntergerechnet.

Mit diesen Zahlenwerten hatten auch die Schulleiter der Förder- und Sprachheilschulen Mitte Februar in einem Brief an die Behörde argumentiert. Grundlage der Behörden-Rechnung ist danach die direkte Übertragung der Mittel, die an den bisherigen Sonderschulen für die behinderten Schüler zur Verfügung stehen, auf die allgemeinen Schulen. "Die Schüler nehmen die gesamte sonderpädagogische Ressource mit, bei ihnen kommt jedoch nur noch die Hälfte an", so die Schulleiter. Ein großer Teil dieser Stunden werde für den Fachunterricht verwendet.

"Unter diesen Bedingungen können wir Integration nicht leisten", schreiben die Pädagogen. Die Schulleiter kritisieren besonders, dass die Schulen in sozialen Brennpunkten benachteiligt werden, weil die zusätzlichen Förderbedarfe auf die Förderstunden angerechnet werden, die die Schulen aus sozialen Gründen bekommen.

Behördensprecherin Brigitte Köhnlein weist die Vorwürfe zurück: "So, wie die Berechnungen interpretiert werden, waren sie nicht gemeint." Das habe Schulstaatsrat Ulrich Vieluf auch in einem Gespräch mit den Sonderschulleitern erläutert. Die Zahlenwerte sollten nur eine "grobe Orientierung" darstellen. "An allen Standorten, die jetzt schon integrativ arbeiten, bleibt die Ausstattung gleich", sagt die Sprecherin. Alle allgemeinen Schulen, an denen erstmals Kinder mit Behinderungen aufgenommen werden, erhielten eine Anschubfinanzierung, mit der Diagnostik, Förderplanung und Konzepte entwickelt werden sollen.

Rabe will der Sache jetzt mit einer Senatsanfrage auf den Grund gehen. Unter anderem erkundigt sich der SPD-Abgeordnete danach, wie viele Unterrichtsstunden genau für die sonderpädagogische Arbeit zur Verfügung stehen werden.

Im Grundsatz sieht das neue Modell vor, dass den sonderpädagogischen Bildungszentren (bisher: Sonderschulen) die Sonderpädagogen und Erzieher zugeordnet sind, die dann an die allgemeinen Schulen zu Diagnose, Beratung, Förderung und Unterricht geschickt werden.