Es war die erste öffentliche Diskussion zweier Kontrahenten: Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und Walter Scheuerl, Sprecher der Initiative "Wir wollen lernen". Die Verhandlungen zwischen beiden Seiten waren erst kürzlich abgebrochen worden - doch beim Streitgespräch auf Radio Hamburg und Oldie 95 zeigten sie sich friedlich.

"Menschlich haben wir gegeneinander überhaupt nichts", beteuert Scheuerl. Um kurz vor 7 Uhr morgens treffen die beiden im Sender ein, stellen sich hinter ihre Mikrofone. Goetsch, im roten Blazer, nestelt nervös an ihrer Kleidung. Scheuerl, mit roter Krawatte, stemmt ab und zu die Hände in die Hüften. Die Nachrichtenredakteure Gabriele Hoberg und Rainer Hirsch führen das Gespräch und sprechen immer wieder die Knackpunkte an. Wie verteidigt die Senatorin ihre Primarschul-Pläne? "Nach der siebten Klasse muss die Note, die Leistung entscheiden", sagt Goetsch. Scheuerl hält dagegen: In der siebten Klasse seien die Schüler in der Pubertät und hätten andere Interessen als die Schule. Das Gespräch plätschert, sachlich tauschen die beiden ihre bekannten Argumente aus.

Spannend wird es, als es um die Praxis geht: Sollen Goetsch und Scheuerl in der Schule hospitieren? "Sie kommen ja aus der Schule", sagt der Anwalt Scheuerl zur Lehrerin Goetsch, aber sie besuche als Senatorin immer nur Reformschulen, keine Gymnasien. "Wollen Sie meine Hospitationsliste sehen?", hält die Senatorin dagegen und lädt den Kontrahenten gleich zum nächsten Schulbesuch ein. Doch aus der Verabredung wird nichts: Er wisse, wie es vor Ort aussehe, erklärt Scheuerl.

Später stellt er fest: "Bei den Zielen sind wir uns völlig einig." Nur über den richtigen Weg streiten sie sich noch. Scheuerl will die Schulen direkt ansprechen, mit den Lehrern vor Ort reden. "Sprechen hilft nichts, das müssen wir schon ein bisschen systematischer machen", watscht ihn die Senatorin ab. Scheuerl: "Da wird mir als Elternrat und Vater ein wenig gruselig ums Herz."

Das Ende aber ist keineswegs gruselig, sondern so friedlich wie der Anfang. Menschlich verstünden sie sich nach wie vor, versichern beide - ihre jeweilige Meinung haben sie während des Gesprächs aber nicht geändert. Diplom-Psychologe Michael Thiel erklärt später die Senatorin zur Siegerin aus seiner Sicht. Begründung: mehr Leidenschaft in der Debatte. Wer die 300 000 Hörer am ehesten überzeugen konnte, stellt sich wohl erst im Sommer heraus - dann findet voraussichtlich der Volksentscheid statt.