Die vier Fraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft haben sich auf einen Kompromiss in der Primarschulreform verständigt - fraglos eine Premiere. In der Not rücken die Politiker zusammen, das ist schon wahr.

Schwarz-Grün fürchtet angesichts des bevorstehenden Volksentscheids um die Reform als Ganzes und ist zu weitreichenden Zugeständnissen bereit. Die affärengeplagte SPD sieht eine Chance, sich auf der politischen Bühne zurückzumelden. Am freiesten sind noch die Linken: Sie können aber immerhin das Image des parlamentarischen Schmuddelkinds ablegen, nachdem sie von Bürgermeister Ole von Beust im Senatsgehege empfangen wurden.

Der große Erfolg der Volksinitiative "Wir wollen lernen" im November hat die Parlamentarier in die Defensive gedrängt. Es geht aus ihrer Sicht deswegen auch darum, den Primat der Politik zu erhalten. Und doch: Die Einigung von Links bis Rechts des politischen Spektrums ist ein Durchbruch, wenn auch nicht ganz freiwillig - ob er historisch ist, entscheidet sich im Sommer, wenn das Volk über Ja oder Nein zur Primarschule abstimmt.

Ein Durchbruch sind die jetzt vereinbarten Regelungen, weil sie eine erhebliche Verbesserung der Unterrichtssituation während der ersten Schuljahre bedeuten: Eltern können Klassen mit höchstens 23 Kindern, in sozialen Brennpunkten sogar mit nur 19 Kindern für ihren Nachwuchs einklagen. Wessen Kinder vor wenigen Jahren noch in Gruppen von 30 und mehr Schülern unterrichtet wurden, weiß, wie bedeutsam das ist. Zudem werden viele Eltern über die Abschaffung des Büchergelds erleichtert sein.

Versucht die All-Parteien-Koalition die Zustimmung der Eltern zur umstrittenen Primarschule nun über unlauteren Wettbewerb zu erkaufen? Die nun beschlossenen Wohltaten schlagen schließlich mit 20 bis 25 Millionen Euro mitten in der härtesten Wirtschaftskrise zu Buch. Es ist wohl eher so: Die vier Fraktionen der Bürgerschaft haben den Protest der Eltern gegen die unausgegorene und übereilte Reform von Schwarz-Grün ernst genommen. Die jetzt geplante Erhaltung des Elternwahlrechts ist ein Beleg für die Lernfähigkeit der Politik, die wir uns ja eigentlich wünschen. Den meisten Eltern dürfte es auch egal sein, aus welchen Gründen ihre Kinder bessere Lernbedingungen vorfinden. Bei der Volksabstimmung steht nun dem klaren Nein zur Reform eine Art Primarschule plus gegenüber. Die Karten sind gelegt, das Volk entscheidet.