Hamburger Eltern geben besonders viel Geld für Nachhilfe aus. Das haben die Bildungsforscher Klaus und Annemarie Klemm in einer neuen Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung (Gütersloh) herausgefunden. Danach sind die durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler in der Hansestadt mit 131 Euro im Jahr am höchsten. Einzig Baden-Württemberg erreicht den gleichen Wert. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zahlen Eltern nur 74 Euro. Der Bundesdurchschnitt beträgt 108 Euro. Dabei wurden die Kosten auf der Annahme gleicher Preise in allen Ländern berechnet.

Das Vater-Tochter-Team hatte Daten aus verschiedenen Erhebungen für seine empirische Untersuchung unter dem Titel "Ausgaben für Nachhilfe - teurer und unfairer Ausgleich für fehlende individuelle Förderung" zusammengetragen und ausgewertet. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. So bekommt nach der Klemm-Studie 24,2 Prozent und damit jeder vierte der 15-jährigen Schüler in Hamburg Mathe-Nachhilfestunden (Datenbasis Pisa 2003). Die Hansestadt liegt damit deutlich über dem Ländermittel von 19,1 Prozent. "Wir haben keine Ursachenforschung betrieben", sagte Klemm auf Anfrage des Abendblatts zu den Ursachen. Seine Hypothese: "Länder, die wirtschaftlich stark sind, haben auch eher hohe Nachhilfeausgaben."

Insgesamt, so das Ergebnis der Studie, bekommen etwa 1,1 Millionen Schüler regelmäßig bezahlten Ergänzungsunterricht. Die Familien investieren dafür jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro. Dabei ist Nachhilfe der Studie zufolge längst keine Ausnahmesituation mehr, um kurzfristig schulische Schwächen auszugleichen. Sie habe sich vielmehr zu einem etablierten, privat finanzierten Unterstützungssystem neben dem öffentlichen Schulsystem entwickelt.

"Die große Bedeutung des Nachhilfeunterrichts ist ein ernst zu nehmendes Signal", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung und ehemaliger Hamburger Wissenschaftssenator. Die starke Nachfrage sei ein deutlicher Ausdruck dafür, dass Eltern mit dem Schulsystem unzufrieden sind. Zudem wachse die Chancenungerechtigkeit, weil vor allem wohlhabende und höher gebildete Familien sich den privaten Ergänzungsunterricht leisten könnten. Dräger forderte eine deutliche Verbesserung des Schulunterrichts mit mehr individueller Förderung.

Zumal die Untersuchung belegt, dass Nachhilfe bereits in der Primarstufe ein zentrales Thema ist. Eine Sonderauswertung der Iglu-Studie aus dem Jahr 2006 ergab, dass im Schnitt 14,8 Prozent der Viertklässler im Fach Deutsch Nachhilfe erhalten. In Hamburg liegt die Quote bei 13,4 Prozent.