Die Reaktion kam prompt: Nach dem Vergleich der Schulsysteme in den 16 Bundesländern in der gestrigen Ausgabe des Hamburger Abendblatts sieht sich die reformkritische Elterninitiative "Wir wollen lernen" in ihrer Ablehnung der sechsjährigen Primarschule bestätigt: "Praktisch alle Bundesländer, insbesondere aber die bei PISA 2006 bestplatzierten Bundesländer Sachsen, Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg, setzen auf eine vierjährige Grundschule", sagte Sprecher Walter Scheuerl gestern.

Ganz anders interpretiert Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) die bildungspolitische Deutschlandkarte: "Der PISA-Schock war heilsam. In vielen Bundesländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir unser Bildungssystem deutlich verbessern müssen." Dabei, sagte die Ressortchefin gestern, reife immer mehr die Einsicht, dass dafür neben modernen Unterrichtsmethoden und besserer Ausstattung auch eine Modernisierung der Schulstruktur in Richtung des längeren gemeinsamen Lernens nötig sei.

Genau dagegen laufen die Reformgegner Sturm. Bei einem Volksbegehren im November sammelten sie 184 500 Unterschriften gegen die vom schwarz-grünen Senat geplante Schulreform. In der kommenden Woche sollen die Verhandlungen mit Vertretern der Regierungsfraktionen beginnen. Beide Seiten haben ihren Willen zu einer Kompromisslösung bekundet. Sollten die Gespräche scheitern, gibt es einem Volksentscheid im Sommer.

Weitere Stimmen zum Ländervergleich: "Bei elf von 16 Bundesländern gibt es einen deutlichen Trend zu einem Zwei-Säulen-Modell. Da liegt Hamburg richtig", sagte Reiner Lehberger, Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Uni Hamburg und Vorsitzender des Landesschulbeirats. Auch die zeitliche Erweiterung des gemeinsamen Lernens sei ein Schritt in die richtige Richtung. "Das zeigt der internationale Vergleich mit fast allen europäischen Ländern." Sorgen macht dem Schulexperten aber der Weg zu den schulpolitischen Veränderungen. "Zu oft wird inzwischen Bildungspolitik durch Koalitionspolitik ersetzt. Das führt zu den Problemen, die wir jetzt in Hamburg haben." Entscheidungen, wie die Überlegungen im Saarland eine fünfjährige Grundschule einzuführen, ließen sich nicht mehr sachlich begründen. "Wir müssen in der Schulpolitik zu konsensualen Entscheidungen kommen."

Auch aus Sicht des stellvertretenden Sprechers der Elternkammer, Peter Albrecht, ist es derzeit in Hamburg sehr schwer, auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren. Beispiel: Elternwahlrecht. "Es fällt auf, dass es in den PISA-Leuchtturmländern kein Elternwahlrecht gibt." Trotzdem werde der Senat in diesem Punkt wahrscheinlich den Forderungen der Beibehaltung des Elternwillens nachgeben, "trotz guter Argumente".