Eltern werden sich gut überlegen müssen, ob ihre Kinder heute Abend Fußball sehen dürfen.

Hamburg. Es ist mal wieder einer dieser Abende, an dem sich Eltern gerne miteinander oder mit ihren Kindern darüber erzürnen, ob Fußball lebenswichtig ist oder nicht. Ich für meinen Teil, Mutter von drei Töchtern (8, 10, 15) und einem Sohn (13), bin qua Geschlecht bei dieser Diskussion generell auf der falschen Seite. Wobei man nicht sagen kann, dass ich Fußball-desinteressiert bin. Und den HSV finde ich auch ganz prima. Doch wenn es heute beim Europa-League-Spiel (Sat.1 überträgt live ab 21.05 Uhr) um den Einzug in die nächste Runde geht, lautet auch bei uns zu Hause die Frage: HSV gegen Rapid Wien oder lieber rapid ins Bett, ihr Kinder?

Ich für meinen Teil entscheide klar mit Nein! Denn, erstens gibt es kurz vor den Weihnachtsferien noch genug für die Schule zu lernen, und die Konzentration leidet massiv nach so einem späten Fernsehabend. Und zweitens handelt es sich bei diesem Spiel nicht um den kollektiven Public-Viewing-Wahn, dem logischerweise auch ich während einer EM und WM verfalle - und dann am liebsten mit allen Kindern.

Als Jasagerin wäre ich aber diejenige, welche an den Tagen danach die Folgen des Schlafdefizits meiner Kinder ausgleichen muss. Klar wird mein Fußball-begeisterter Ehemann, der am Morgen danach flugs ins Büro verschwindet, sagen: "Sei doch nicht so streng - eine Ausnahme können wir doch machen!" Und im Hinterkopf sieht er sich schon mit der Schokolade auf dem Sofa mit seinem Sohn einträchtig jubeln oder stöhnen.

Egal, wie ich also entscheide, ich kann es nur falsch machen. Daher lasse ich mal einen Pädagogen sprechen, der vielleicht für einen kompromissfähigen Frieden zu Hause sorgen kann.

"Mehr als 1,5 Stunden pro Tag sollte kein Kind zwischen der ersten und zehnten Klasse fernsehen. Frühestens ab der siebten Klasse sollten Kinder zu so später Stunde überhaupt noch in der Woche fernsehen dürfen. Und dann als Ausnahme oder Belohnung für etwas", empfiehlt Thorsten Wehner, Gymnasiallehrer für Sport, Philosophie und Religion am Gymnasium Hochrad.

"Grundsätzlich ist die eigene Bewegung bei Kindern und vor allem bei Jugendlichen mit ihrem unberechenbaren Hormonhaushalt wichtiger als der Sportkonsum vorm Fernseher", sagt der Pädagoge. Sport mache schlank und zufrieden - Sport sei die beste Apotheke, wenn man ihn selbst ausübt.

Ein Abend wie heute eigne sich übrigens sehr gut, um das Differenzieren und die Wertigkeit eines Ereignisses zu erlernen. "Dieses ist nicht die WM oder ein Endspiel. Es handelt sich doch eher um ein Standardspiel. Die Entscheidung für ein Ja oder Nein sollte auch ins pädagogische Gesamtkonzept der Eltern passen. Wer das Gucken dieses eher unwichtigen Spieles erlaubt, hat kaum noch Spielraum, das Schauen von viel wichtigeren Spielen später zu unterbinden", sagt Wehner. "Schüler, die heute Abend gucken, sollten entweder besondere Leistungen gezeigt haben oder vielleicht zu Hause sehr hilfsbereit gewesen sein - dann ist es eine verdiente Anerkennung."

Ich ahne schon, wie ich im Sinne der Familienharmonie also entscheiden werde: Die erste Halbzeit darf geguckt werden - die zweite findet im Bett statt!