6- bis 14-Jährige aus armen Familien bekommen hier sieben Tage pro Woche ein Mittagessen, Hilfe bei Hausaufgaben und Geborgenheit.

Ein Pausenbrot für die Schule, ein gemeinsames, frisch gekochtes Mittagsessen, eine Sofaecke mit Büchern, Hausaufgabenbetreuung. Normalität in knallgelb gestrichenen Räumen an der Kalischerstraße 9a im Harburger Phoenixviertel, auch als sozialer Brennpunkt bekannt. Für 30 bis 50 Kinder und Jugendliche, die täglich "Das Löwenhaus" besuchen, ist es mehr als nur eine soziale Einrichtung. "Es ist ein Schutzraum, in den die 6- bis 14-Jährigen aus zerrütteten, armen Familien fliehen", sagt Leiterin Leonie Werner. Vor vier Jahren gründete der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) die durch Spenden finanzierte Einrichtung. "Ziemlich mutig" findet das Werner immer noch. Und anstrengend, pflichtet ihr Vorgänger Rainer Micha bei. "Die vielen ehrenamtlichen Helfer und wenigen Honorarkräfte arbeiten bis zur absoluten Belastungsgrenze."

Diese Knochenarbeit zahlt sich nun aus. Nach dem Bertini-Preis wurde Das Löwenhaus jetzt auch mit dem Holger-Cassens-Preis ausgezeichnet. "Bildung als gemeinsame Aufgabe" - der in diesem Jahr zum ersten Mal verliehene und mit 10 000 Euro dotierte Preis soll Projekte fördern, die sich besonders der Situation benachteiligter Kinder annehmen. "Hier werden Kinder existenziell versorgt, mit Essen und Bildung, und zwar sieben Tage pro Woche", betonte Jurymitglied Prof. Dr. Manfred Neufter. Das Löwenhaus habe besonders durch das Engagement in der Jugendarbeit überzeugt und sich gegen 17 Mitbewerber durchgesetzt. Nicht umsonst lautet das Motto der Einrichtung "Vorbilder bilden". Leonie Werner: "Die Kinder, die hierher kommen, können sich Verhalten und Werte abgucken - etwas, das ihnen häufig zu Hause fehlt." Maximilian von Wittberg (18) und Sven Röckendorf (20) sind zwei der jugendlichen Helfer, die Schülern bei den Hausaufgaben betreuen. Lea Weigelt (18) hilft während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs in der Küche mit und beaufsichtigt die Löwenhaus-Kinder. Andreas Akyol (18) ist einer von etwa 25 Schülerpraktikanten der benachbarten Schule Bunatwiete/Maretstraße, die sich unter pädagogischer Anleitung um Jugendgruppen kümmern. Aber auch die Eltern werden mit einbezogen, zum Beispiel bei gemeinsamen Kochkursen, die zweimal wöchentlich stattfinden.

In der Patriotischen Gesellschaft, die den Preis mitvergibt, nahm Leiterin Leonie Werner den Preis von Prof. Dr. Ursel Becher entgegen. Die Vorsitzende des Stiftungskuratoriums lobte Das Löwenhaus, weil es auf die Bedürfnisse im Stadtteil reagiert und junge Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt. Das Preisgeld will Leonie Werner für eine Betreuerin einsetzen, die sich fortan um die Ausbildung der jugendlichen Helfer kümmern soll.

"Es ist auch ein kleiner Sprung über die Elbe", fügte Stifter Holger Cassens hinzu. Er freue sich über die positive Aufmerksamkeit, die das Harburger Projekt nun erhält. Das war nicht immer so. Gleich im ersten Jahr mussten die Betreiber ihr Revier am Schlossmühlendamm aufgeben, da eine Ballettschule im selben Gebäude gegen Essengerüche und lärmende Kinder geklagt hatte. Da fortan nicht mehr gekocht werden durfte, halfen Harburger Gastronomen aus. In der neuen Heimat stört sich keiner am Löwenhaus-Betrieb, wo Kinder aus 20 verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen - "meist friedlich", wie Leonie Werner betont. Am 30. November steht deshalb die nächste Feier an. Im Hamburger Rathaus wird Das Löwenhaus den "Integrationspreis" erhalten.