Ungewohnter Anblick: Vor einem Sitzungssaal des Landgerichts warteten gestern drei Jungen mit ihren Eltern auf ihre Vernehmung.

Hamburg. Die Zivilkammer 25 hatte die Schüler Benjamin (9), Leo (9) und Chris (10, alle Namen geändert) als Zeugen in einem hoch brisanten Prozess geladen: Es geht um die Vorwürfe, dass an der Schule Ratsmühlendamm in Fuhlsbüttel Schüler von Lehrern "seelisch wie auch körperlich" misshandelt worden seien.

Das jedenfalls behauptet eine unbekannte "Lycilla" im Internet-Portal schulradar.de. Die Hamburger Bildungsbehörde klagte gegen den anonymen Eintrag. Die Spickmich GmbH, als Betreiberin der Schulbewertungsplattform, hält dagegen: Die Einträge beruhten auf tatsächlichen Vorfällen (das Abendblatt berichtete).

Gestern trafen die Parteien sich zum dritten Mal vor Gericht. Der Schulbehörde geht es um Grundsätzliches: "Wir wollen Klärung darüber, wie in Internetforen über Schulen diskutiert werden darf", hatte der Leiter der Rechtsabteilung, Andreas J. Gleim, beim Prozessstart im April zu Protokoll gegeben. Es geht um die Frage, wann die Grenze zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung überschritten ist. Auch Schulradar-Geschäftsführer Manuel Weisbrod wünscht sich eine juristische Klärung des Falls. "Allerdings hätten wir gern vermieden, dass Kinder vor Gericht aussagen müssen", sagte er gestern.

Bis zu einer Stunde lang sagten die drei Viertklässler gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. In allen drei Fällen hatten die Eltern bereits vor Monaten Strafanzeige vor allem gegen eine Lehrerin der Schule wegen schwerer Körperverletzung im Amt erstattet. Die Ermittlungen dauern an. Der Vorwurf: Benjamin, Leo und Chris sollen mehrfach "grob angefasst" und "geschüttelt" worden sein. Leo sei zudem gezwungen worden, die mit Klopapier verstopfte Toilette mit bloßen Händen zu reinigen.

"Er hat die Befragung gut überstanden", sagte seine Mutter nach der Zeugenaussage. "Er hat gesagt, dass er sehr froh war, dass er mal danach befragt worden ist, was in der Schule passiert ist." Auch Benjamin habe sich nach den Worten seiner Eltern an "fast alles erinnern können". "Er musste ganz genau angeben, welche Lehrerin ihn wo am Arm grob angefasst hat." Ähnlich äußerte sich auch Chris' Mutter, für den nach den Vorfällen aus dem Februar zwei ärztliche Atteste vorliegen. "Es war kein leichter Schritt, die Kinder in den Zeugenstand zu lassen", sagte Hanno Knierim als Sprecher der Elterninitiative Ratsmühlendamm. Aber es sei notwendig gewesen, damit ihnen endlich Glauben geschenkt werde.

Für den Verlauf des Verfahrens sind die Aussagen der Kinder von großer Bedeutung. Sollte sich das Gericht von der Richtigkeit von "Lycillas" Vorwürfen überzeugen lassen und sie als Tatsachenbehauptung werten, wäre die Klage der Behörde gegenstandslos - die Einträge müssten nicht gelöscht werden. Die Chancen stehen laut Schulradar-Anwalt Thorsten Feldmann gut. "Die Kinder haben unsere Darstellung im Kern bestätigt." Die Beweisaufnahme wird mit der Befragung der Lehrer fortgesetzt.