In Hamm-Nord lernen Jugendliche gemeinsam mit John-Neumeier-Schülern. Heute feiert ihr Stück Premiere.

Eigentlich haben Felix-Henry Hanssen (15) und Nyoyi Lomboto (18) mit Ballett nicht viel am Hut. Wie die meisten Schüler, die die Haupt- und Realschule Griesstraße in Hamm-Nord besuchen, sind die Jugendlichen mit dieser Art zu tanzen nie richtig in Kontakt gekommen. Schon gar nicht als Junge. Das Vorurteil, Ballett sei nur etwas für Mädchen, wiegt schwer. "Dass mir das Tanzen jetzt so viel Spaß macht, hätte ich nicht gedacht", sagt Nyoyi.

Mit großen Schritten bewegt sich Felix-Henry über die Bühne. Seine Arme sind steif, schwingen ausladend in die Höhe. Wie bei einem marschierenden Soldaten. Immer im Takt. Mit etwa 35 Mitschülern, Jungen wie Mädchen, arbeiten Felix-Henry und Nyoyi an der Bühnenadaption des Grimm-Märchens "Die zertanzten Schuhe" von Tanzpädagogin Indrani Delmaine. In Kostümen und Tanzschuhen. "Schämen muss ich mich dafür nicht", sagt Felix-Henry.

"Es wird oft angenommen, dass Jungen mehr Probleme mit dem Tanzen haben als Mädchen. Das stimmt nicht", bestätigt Irinell Ruf. Die Choreografin hat in der Vergangenheit immer wieder Tanzprojekte mit Jugendlichen geleitet. "Jungen wollen sich beweisen. Einen Tanzauftritt sehen sie als Möglichkeit, ihre Männlichkeitsentwicklung darzustellen", sagt sie. Dem stimmt auch Indrani Delmaine zu: "Wenn die Jungen sehen, wie ein anderer richtig springt, dann schauen sie fasziniert zu", sagt die Regisseurin. "Die Leistung spornt sie umso mehr an." Fast alle Schüler, die bei dem Projekt "Die zertanzten Schuhe" mitmachen, kommen aus einem der sechs beteiligten Wahlpflichtkurse wie Hip-Hop, Modern Dance, Bühnenbild oder Schulband. Viele von ihnen, so wie auch Felix-Henry und Nyoyi, haben noch nie in ihrem Leben getanzt. "Die meisten Jugendlichen haben in den letzten Monaten eine große Entwicklung durchgemacht", sagt Delmaine. "Sie lernen, im Team zu arbeiten, ihren Körper zu beherrschen und diszipliniert zu sein." Und auch wenn die Arbeit nicht immer leicht gewesen sei: Gelohnt habe es sich auf jeden Fall. "Verstehen die Jungen und Mädchen Ballett als Kunstform, dann ist viel erreicht", so Delmaine.

Seit September probt die Pädagogin mit den Jugendlichen die Tanzaufführung, die sich aus verschiedenen Tanz- und Musikstilen zusammensetzt. Mit dabei sind jedoch nicht nur Laientänzer. Die Hauptrollen wurden mit sechs Schülern der John-Neumeier-Ballettschule besetzt, die am Vormittag fast alle ebenso wie die anderen Mitwirkenden die Schule in Hamm-Nord besuchen. Eine von ihnen ist Yaiza Coll. Morgens lernen, nachmittags tanzen. So sieht der Alltag der gebürtigen Spanierin aus. Für Unternehmungen mit Freunden bleibt da nicht mehr viel Zeit. "Ich finde es toll, nun auch mal mit meinen Mitschülern zusammenzuarbeiten", sagt die 15-Jährige. Dass die anderen nicht ganz so gut wie sie tanzen, stört Yaiza nicht. Und auch den Ballettanfängern gefällt es, den Profis zuzuschauen. "Was die können, ist schon faszinierend", sagt Felix-Henry. Die 40-minütige Collage "Die zertanzten Schuhe" wird heute um 18 Uhr im Theater Hamburger Sprechwerk (Klaus-Groth-Straße 23) aufgeführt. Der Eintritt ist frei.