Die Chancen für Kinder, in Hamburg Abitur zu machen, sind extrem unterschiedlich. Je stärker die soziale Belastung eines Stadtteils, desto geringer die Aussicht auf einen höherwertigen Abschluss. Das belegt die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Britta Ernst.

Danach haben im vergangenen Jahr in Billstedt und Horn nur 20,3 Prozent der Schulabgänger das Abitur geschafft. Im ebenfalls sozial belasteten Wilhelmsburg lag die Quote sogar nur bei 16,8 Prozent, in Lurup und Osdorf bei 17,2 Prozent. Zum Vergleich: Der landesweite Durchschnitt liegt bei 39,1 Prozent.

Ganz anders ist die Lage in den wohlhabenderen Gegenden der Stadt: In Othmarschen haben 71,3 Prozent des Schülerjahrgangs ihre Schulzeit mit der Reifeprüfung abgeschlossen, in Blankenese waren es 60,6 Prozent. Auf eine Quote von 58 Prozent kommen die Regionen Poppenbüttel/Wellingsbüttel, knapp dahinter liegen die Walddörfer mit 56,9 Prozent. Eine Sonderstellung nimmt Eimsbüttel mit dem Spitzenwert von 74,2 Prozent ein. Hier gibt es eine hohe Konzentration von Gymnasien.

Ernst fordert als Konsequenz aus den Ergebnissen verstärkte Anstrengungen, um das Bildungsniveau in den problematischen Stadtteilen und Regionen zu heben. "Ich halte es für richtig, die Klassenfrequenzen in allen Schulformen in diesen Gebieten zu senken", sagte Ernst. Der Senat will die Schülerzahl bislang nur in den künftigen Primarschulen der sozial belasteten Gebiete auf 20 Kinder pro Klasse begrenzen. "Unserer Ansicht nach muss das auf Gymnasien und künftige Stadtteilschulen ausgedehnt werden", sagte Ernst.

Als großes Problem sieht die SPD-Politikerin an, dass gerade in den Problemgebieten Stadtteilschulen ohne Oberstufe entstehen werden. "Das werden sterbende Schulen sein", ist sich Ernst sicher. "Man braucht entweder eine Oberstufe oder die sogenannte Langform ab Klasse 1, damit eine Stadtteilschule ein attraktiver Standort bleiben kann", sagte die Abgeordnete. Nach Einführung der Primarschule bleiben den Stadtteilschulen ohne Oberstufe nur die Klassen 7 bis 10.

Als weitere Konsequenz aus den regional drastisch unterschiedlichen Abiturquoten sieht Ernst den Ausbau von Ganztagsschulen an. "Diese Schulen können dann zum Beispiel Hausaufgaben- und Nachhilfe anbieten." In den wohlhabenderen Stadtteilen könnten sich Eltern für ihre Kinder bezahlte Nachhilfestunden leisten. Dazu seien Familien in Billstedt, Horn oder Wilhelmsburg nicht im gleichen Maße imstande. "Wegen der Schulzeitverkürzung am Gymnasium ist es zu einem Boom bei der Nachhilfe gekommen. Bildungsorientierte Eltern, die es sich leisten können, haben ihre Anstrengungen deutlich verstärkt", sagte Ernst. Die soziale Schere im Bildungsbereich öffne sich dadurch noch weiter.

Aus der Sicht der SPD-Politikerin ist die Chance vertan worden, in den Regionalen Schulentwicklungskonferenzen (RSK) über derartige Themen zu diskutieren. Die RSK haben über mehrere Monate in erster Linie darüber gesprochen, an welchen Standorten der Region welche Schulformen im Zuge der großen Strukturreform eingerichtet werden sollen.

Die regionalen Unterschiede zeigen sich in gleicher Weise bei der Quote der Schulabbrecher - nur mit umgekehrten Vorzeichen. In Wilhelmsburg lag der Anteil der Schüler, die die Schule ohne Abschluss verließen, bei 21,1 Prozent. In Othmarschen betrug die Quote dagegen nur 3,9 Prozent, in Blankenese sogar nur 1,9 Prozent.