Schulalltag an einem Gymnasium in Tonndorf. Ein Tag im Leben des Lehrers Axel Pörschke

Hamburg. Erste Stunde Sport. Um 8.02 Uhr steht er in der Halle. Nach und nach tröpfeln die Schüler herein. Energisch klatscht Axel Pörschke, drahtig in weinroter Sporthose, in die Hände. "Alle aufwachen." Dann geht es los: Erst ein schnelles Aufwärmspiel, danach Weitsprung üben für die Bundesjugendspiele. Pörschke zuerst. Er nimmt Anlauf, springt, landet auf der dicken Matte. Die Schüler hinterher. Er lobt, korrigiert und mahnt. "Konzentriert euch, sabbelt nicht so viel." Es ist die "Gym 7c", seine Klasse - 24 pubertierende Jugendliche. Unterricht in der Mittelstufe, das ist ein Stakkato klarer Ansagen. Axel Pörschke hat eine gute Stimme, durchdringend und trotzdem gelassen. Die Schüler folgen ihm. Zur Belohnung gibt es eine Runde Völkerball. Dann sind die 45 Minuten vorbei. Schon. "Manchmal klebt so eine Schulstunde aber auch wie Kaugummi", sagt der Lehrer. Heute hat er neun Stunden zu geben.

Es ist sein längster Tag. Insgesamt unterrichtet er 26 Stunden pro Woche. Seit sechs Jahren ist Axel Pörschke an der Schule Tonndorf. Das ist eine kooperative Schule mit Haupt- Real- und Gymnasialklassen. Mehr als 1000 Schüler und 70 Lehrer. Pörschke unterrichtet Biologie und Sport. Es ist seine erste feste Stelle. Er ist 38 Jahre alt, neun Jahre jünger als der Durchschnitt der Hamburger Lehrer. Eigentlich wollte er mal Schauspieler werden, hat sich aber dann für die Sicherheit entschieden. Er kommt aus Bergedorf. Hat in Hamburg studiert und lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in einem Reihenhaus in Lohbrügge. Inzwischen ist er Beamter.

Wenn man ihn fragt, was er den Schülern mitgeben will, sagt er: "Fachwissen natürlich und moralische Werte." Später wird er noch sagen, dass sich die Prioritäten in seinem Beruf verschoben haben. "Der erzieherische Aspekt wird immer wichtiger." Im Studium sei ihm das nicht so klar gewesen. "Ich komme von der fachlichen Ebene."

Inzwischen ist es kurz vor 11 Uhr. Gerade hat es zur vierten Stunde geläutet, und Axel Pörschke kommt zum ersten Mal zum Luftholen. Er hat eine Freistunde. Nach Sport, Bio und noch mal Bio. Nach Leichtathletik und Herzklappenfunktion für die Siebtklässler, Hormonen für die gymnasiale Aufbauklasse. Wissen in kleine Häppchen aufgeteilt. Pörschke hat fast ununterbrochen geredet, vorn an der Tafel oder im Zwiegespräch bei den Gruppenarbeitseinheiten. "Er ist nett, fair und manchmal auch streng, wenn wir ihn ärgern", sagt Lisa aus der 7c. Und was haben die Schüler gelernt? "Ich kann nicht sagen, ob ich den Schülern etwas beigebracht habe", sagt der Lehrer nachdenklich. Natürlich sei sein Ziel, nachhaltigen Unterricht zu machen. "Aber ich habe auch immer wieder Zweifel, ob es gelingt." Eingepfercht in 45-Minuten-Einheiten, Lehrplan-Anforderungen und Pubertätsdramen erinnert er an Don Quichotte und seinen Kampf gegen die Windmühlenflügel. Für Visionen bleibt da wenig Zeit.

Lehrer Pörschke stopft die dicke Mappe mit dem Unterrichtsmaterial in seine Umhängetasche. Direkt neben den Laptop. Er hat gleich Aufsicht in der Pausenhalle und muss noch ein paar Kopien machen. Im Kopierraum sieht es aus, als sei in den vergangenen 30 Jahren die Zeit stehen geblieben. "Das ändert sich gerade, die Schule wächst stark. Es wird viel gebaut." Ein Kollege kommt herein, einige schnelle Absprachen. Pörschke ist Biologie-Fachleiter. Dann hastet er ins Nachbargebäude, stolpert dabei fast über zwei rangelnde Siebtklässler. "Was ist denn hier los?", fährt er sie an. Das wirkt.

In der fünften und sechsten Stunde steht der Bio-Grundkurs der Abiturienten auf dem Stundenplan. Neurophysiologie. Die Doppelstunde hat er am Abend vorher lange vorbereitet. Es geht um Nerven, Reizweiterleitung, die "semipermeable" (halb durchlässige) Membran, den synaptischen Spalt. Die Schüler arbeiten in Gruppen, mit PC und Lehrbuch. "Idealer Unterricht ist, wenn der Lehrer sich rauszieht und die Schüler sich das Wissen selbst erarbeiten", sagt Pörschke. Ist er ein guter Lehrer? Pörschke überlegt. "Mir ist wichtig, dass ich authentisch bin. Das merken die Schüle, und dann nehmen sie auch etwas an."

Die Doppelstunde ist gut gelaufen. "Es ist ein hoch kompliziertes Thema, die Schüler haben es verstanden", sagt er. Wenn es so läuft, mag er seinen Job. Es ist das Gefühl, "wirksam zu sein". Deswegen hat er sich damals für das Lehramtsstudium entschieden. Der Alltag ist oftmals ein Lauf gegen die Uhr. Nach dem Klingeln rafft er seine Zettel zusammen, ein Blick in den leeren BioRaum. Dann geht es in die nächste Stunde. "Eigentlich ist man immer zu spät." Jetzt noch Sport in der achten Klasse, danach der Oberstufen-Kurs Inlineskaten. "Viele denken ja, dass das da keine Vorbereitungszeit drinsteckt", sagt Pörschke. Inzwischen perle das an ihm ab. "Ich weiß, was ich leiste." Die Stunden, die er mit dem Korrigieren, Unterrichtsvorbereitung und immer mehr Verwaltungsaufgaben am Schreibtisch verbringe, zähle er schon lange nicht mehr. Sind faule Lehrer also nur ein Vorurteil? "Wenn man es ernst meint und gut machen will, ist es viel Arbeit." Er ist aber keiner, der laut über zu hohe Belastung jammert. "Es gibt harte Wochen, aber wir haben ja auch mehr Ferien", sagt er. Und wie sieht er die geplanten Veränderungen im Hamburger Schulsystem? Grundsätzlich positiv, lautet die diplomatische Antwort. "Bei uns an der Schule ist in den vergangenen Jahren so viel passiert. Es gibt viel junge Lehrer. Wir sind vorbereitet." Und dann sagt er noch, wie froh er sei, dass der Gymnasialbereich in Tonndorf erhalten bleiben soll. "In den Haupt- und Realschulklassen gibt es einfach mehr Disziplinprobleme. Unterrichten ist anstrengender." Würde er auch an der Primarschule unterrichten? Axel Pörschke zögert ein wenig. "Muss nicht sein", sagt er.

Erst mal sieht er sich jetzt 30 Achtklässlern gegenüber. Inzwischen ist es 13.30 Uhr. Eine Mittagspause hatte er nicht. Und man spürt, dass die Nerven im Vergleich zur Sportstunde am Morgen deutlich angespannter sind. Während die Jungen brav Sprintstart trainieren, zicken die Mädchen beim Fußball. Ein paar Male muss er dazwischengehen. "Da ist mein Kalkül nicht aufgegangen", sagt Pörschke später. Und: "Das ist auch Lehrersein, dass man aus Fehlern lernt."

Neun Schulstunden hat er da hinter sich. Es ist 15.30 Uhr. Gleich setzt er sich ins Auto und fährt nach Hause. "Es war ein langer Tag", sagt Lehrer Pörschke. "Aber es ist gut gelaufen." Es war einer dieser Tage, an denen er das Gefühl hatte, etwas zu bewirken.