Jungen Schülerinnen fehlt nach dem Abitur oft der Mut, sich für technische Studiengänge einzuschreiben.

Hamburg. Ein paar freche Sprüche muss man schon abkönnen, wenn man mit 39 Kommilitonen im Hörsaal sitzt und eine Aufgabe in der Elektrotechnik nicht sofort begreift. "Ansonsten waren die Männer sogar sehr charmant und froh, dass mal ein paar Frauen an der Uni waren", sagt Nicole Langlet. Die Hamburgerin absolvierte ein duales Studium als Wirtschaftsingenieurin an der Nordakademie in Elmshorn und beim Flugzeugbauer Airbus, der sie direkt nach ihrem Abschluss vor neun Jahren übernahm.

Nicole Langlet ist Senior Manager Fuselage Interior. Sie leitet den Einkauf für Fußbodenplatten, Klimarohre und die Cockpit-Ausstattung für alle Airbus-Produkte. Dass sie sich dafür interessiert, hat die 34-Jährige ihrem älteren Bruder zu verdanken. "Er studierte vor mir Wirtschaftsingenieur. Gerade die Verbindung von Wirtschaft und Technik fand ich spannend." Später habe sie einen guten Mentor im Unternehmen gehabt, der sie beraten und die richtigen Kontakte hergestellt habe.

Nicht alle Frauen haben das Glück, solch eine Motivation zu bekommen. Was vielen fehlt, sind Vorbilder, Frauen, die ihren Weg in überwiegend männlich dominierten Berufen gemacht haben. Als Ingenieurinnen, Wissenschaftlerinnen oder Führungskräfte. Und sie müssen ihre Berührungsängste verlieren. "Der Girls' Day ermöglicht Schülerinnen ab der fünften Klasse einen ersten Kontakt zu technischen, handwerklichen und naturwissenschaftlichen Berufen", sagt die Diplom-Psychologin Carmen Ruffer, die den Aktionstag seit 2002 beim Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit in Bielefeld organisiert. Unterstützung bekommt der Aktionstag, der in diesem Jahr sein 10. Jubiläum feiert, durch ein prominentes Vorbild: Die Bundeskanzlerin und studierte Physikerin Angela Merkel ist Schirmherrin.

"Auch für die Unternehmen ist es eine gute Gelegenheit, um die weiblichen Fachkräfte von morgen für die Branche zu begeistern und anzuwerben", sagt Carmen Ruffer. Rund 150 Firmen beteiligen sich 2010 in Hamburg daran, bundesweit sind es 9500 - so viele wie noch nie zuvor.

Die kontinuierliche Arbeit fruchtet: Mit zuletzt über 21 000 Studienanfängerinnen in den Ingenieurswissenschaften verzeichnet Deutschland einen absoluten Rekord. In etwa zehn Prozent der bislang beteiligten Unternehmen sind ehemalige Girls'-Day-Teilnehmerinnen heute tätig. "Das Berufsimage hat sich verbessert", sagt Carmen Ruffer. "Immer mehr Mädchen gehen von guten Aufstiegschancen aus." Zu Recht, denn: "Die technischen Berufe verbinden anspruchsvolle Ausbildung, gute Bezahlung, erfüllende Arbeit und breite Karrieremöglichkeiten", sagt Hans-Günter Trepte, Leiter Arbeitsmarkt und Berufsbildung bei Nordmetall. Die Berufswahl zugunsten technischer oder naturwissenschaftlicher Berufe entscheide maßgeblich darüber, ob Frauen und Männer einheitlich bezahlt würden.

Für Linja Natalie Osann war es eine Herausforderung, in eine typische Männerdomäne einzudringen: Die Betriebswirtschaftlerin arbeitete als Wirtschaftsprüferin - "das klang so schön kompliziert" - und ist seit über drei Jahren Referentin für Konzernbilanzierung bei der Beiersdorf AG. Noch heute hört die 32-Jährige manchmal: "Konzernbilanzierung - so siehst du gar nicht aus! Viele denken noch in Klischees." Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten - das sind die Dinge, die Linja Natalie Osann den Girls mit auf den Weg geben würde.

Nicole Langlet von Airbus empfiehlt eine duale Ausbildung, um seine Talente rechtzeitig entdecken und entwickeln zu können. Und Gelassenheit: "Ein Lieferant wollte mir mal eine CNC-Maschine erklären, indem er sie mit Schnittmustern bei einer Nähmaschine verglich. Da habe ich nur zu ihm gesagt: 'Sorry, aber da kenne ich mich überhaupt nicht aus!'"