Ein Mädchen berichtet, wie es vor zwei Jahren unter der Trennung seiner Eltern gelitten hat und wie es sich heute fühlt.

Die Nachricht, dass die Eltern sich scheiden lassen wollen, ist für Kinder immer ein großer Schock. Zwei Schülerinnen haben sich von einem Mädchen erzählen lassen, was es gefühlt hat, als die Eltern sich getrennt haben:

Alles begann vor zwei Jahren, ich war elf Jahre alt, da fing die ganze Sache an. Meine Eltern redeten ständig und Papa weinte dabei, aber ich wusste nicht warum. Drei Tage lang ging das so. Dann, eines Abends, stürmte mein Bruder ins Wohnzimmer und rief: "Mama, stimmt es, dass du Papa verlassen hast?" Diese Worte stellten meine gesamte kleine Welt auf den Kopf, ich wollte einfach nicht, dass es wahr war. Mein erster Gedanke: "Weg hier!"

Wenn Kinder erfahren, dass ihre Eltern sich scheiden lassen wollen, wollen sie das nicht wahrhaben. Sie wollen dem Problem aus dem Weg gehen, davor flüchten, sie möchten weg.

Mama und ich gingen spazieren und sie versuchte, mir alles zu erklären

Ich packte meine kleine Handtasche, stopfte Klamotten, Essen und Trinken und mein Kuscheltier hinein, zog mich an, war verzweifelt. Meine Mutter war genauso verzweifelt wie ich, sie meinte zu mir: "Bitte, geh nicht weg, ich brauche dich doch." Das hat mich umgestimmt, ich wusste ja selber nicht, wo ich hinwollte, was hätte ich schon ausrichten können? Mama und ich gingen spazieren und sie versuchte, mir alles zu erklären. "Endlich weiß ich, wie man wirklich liebt." An diesen Satz kann ich mich noch genau erinnern. Es war nicht leicht zu verstehen.

Ab da begann ein neues Leben für mich. Ich war ziemlich sauer auf meine Mama, aber irgendwie konnte ich sie doch verstehen. Trotzdem war es eine schwere Zeit, Papa litt mehr darunter als alle anderen. Er zog ins Gästezimmer um, ich schlief oft bei ihm, jeden Abend lasen wir uns gegenseitig vor. Dann zog Papa aus.

In Deutschland wird fast jede zweite Ehe geschieden. Kinder gehen mit der Trennung ihrer Eltern unterschiedlich um. Viele Jungen versuchen, das fehlende Elternteil zu ersetzen. Außerdem können Autoritätsprobleme auftreten, die Kinder hören nicht mehr auf die Eltern, fühlen sich allmächtig.

Ich und meine Brüder vermissten Papa sehr und mit Mamas neuem Freund kamen wir überhaupt nicht klar. Wir wünschten, Papa wäre noch da und alles wäre wie früher, aber so war es leider nicht. Am schlimmsten war die Ungewissheit, oft war Mama abends nicht zu Hause, meistens wussten wir nicht, wo sie war. Manchmal war Mama bei "dem Typ", wie Papa ihn nannte, und kam erst am nächsten Morgen wieder.

Wir Kinder wollten Papa möglichst oft in seiner neuen Wohnung besuchen, was leider nicht immer möglich war. Wir telefonierten oft und damals hätte ich lieber bei meinem Vater gewohnt.

Fast jeden Abend habe ich geweint. Meiner Mutter vertraute ich nicht mehr, sie hatte mir das Gefühl von Geborgenheit genommen. Es fühlte sich an, als gäbe es nichts Wichtigeres mehr für sie als ihren Freund, vielleicht waren diese Gedanken gar nicht berechtigt, aber wir wussten es nicht besser. Vor allem meinem Bruder machte das schwer zu schaffen, er schrie "den Typen" oft an. Mein Bruder wollte sich nichts von ihm befehlen lassen, genau wie ich. Mama wollte, dass wir auf ihn hören. Aber für uns war er ein Fremder.

Viele Scheidungskinder beginnen sich verhaltensauffällig zu benehmen, kriegen Wutanfälle und reagieren häufig sehr stark emotional. Bei manchen führt eine Trennung sogar zu zeitweiligen Selbstmordgedanken.

Ich wünsche mir heute immer noch die schönen alten Zeiten zurück

Das erste Weihnachten nach der Scheidung war ganz anders. Trauriger. Genau wie Silvester. Ich habe den Jahreswechsel mit meinem Vater gefeiert. Ich glaube mit meiner Mutter und "dem Typen" wäre es nicht halb so schön gewesen.

Der erste Urlaub mit ihm, meiner Mutter, meinem Bruder und seinem Sohn war nicht so schön wie der mit Papa und seiner neuen Freundin, die er inzwischen kennengelernt hatte. Ich wollte zu Papa. Seine neue Freundin war bei uns viel beliebter als "der Typ".

Heute ist es aber alles anders. Wir haben uns mit Mamas neuem Freund abgefunden und Papa nennt ihn auch nicht mehr "den Typ". Außerdem finden wir ihn inzwischen eigentlich nett, aber dennoch wünsche ich mir immer noch die alten Zeiten zurück.