Verantwortung macht Angst. Wie kann man von Teenagern erwarten, Entscheidungen fürs Leben zu treffen?

Die Situation sieht wie folgt aus: Kaum mit der Schule fertig steht man vor der vielleicht wichtigsten Entscheidung seines Lebens. Studium, Ausbildung, ein freiwilliges soziales Jahr, Work and Travel in Australien oder doch lieber mit dem Rucksack durch Asien?

Das junge Leben lang wird man mit dem Gedanken erzogen, man könne später machen, was man will, aber was genau das sein soll, darauf bereitet einen leider keiner vor. Realität ist, dass man, obwohl die Suche nach dem Selbst noch längst nicht abgeschlossen ist, jetzt anfangen muss, seine Zukunft zu planen und sie in mehr oder weniger konkrete Bahnen zu lenken. Man hat die Wahl zwischen genug Geld verdienen oder der individuellen Selbstverwirklichung, die Kombination von beidem ist oftmals nicht möglich.

Aber wie kann die Gesellschaft von pubertierenden Teenies, die 15, 16 oder höchstens 18 sind, erwarten, zu wissen, was sie ihr restliches Leben machen wollen? Wo doch die wichtigste Entscheidung, die sie bis jetzt treffen mussten, war, das passende Outfit fürs nächste Wochenende auszusuchen?

In diesem Alter steht das Ich noch ganz klar im Mittelpunkt, ein gewisses Maß an Egoismus und Sorglosigkeit wird nicht nur von einem erwartet, sondern gehört auch zum gesunden Heranwachsen dazu.

Spätestens jetzt entsteht der Wunsch, ganz laut nach Mama und Papa zu schreien und die neu gewonnene Verantwortung, die das plötzliche Erwachsenwerden mit sich bringt, ganz schnell wieder abzugeben.

Bei allem Respekt gegenüber unserer Elterngeneration und der 68er-Bewegung, ich ziehe meinen Hut vor euch, denn mit eurem Streben nach Autonomie habt ihr euch die Freiheiten erkämpft, die heute für uns ganz selbstverständlich sind. Davon profitieren eure Kinder und wir, die Generation danach, immer noch. Aber gerade aufgrund dieser Freiheiten und der damit verbundenen Unsicherheit und Zukunftsangst sehnt sich der Großteil der jungen Erwachsenen heutzutage immer mehr nach Sicherheit als nach irgendetwas sonst. Dieses Sicherheitsdenken ist somit zum ultimativen Streben "unserer" Generation geworden.

Der Konflikt, der zwangsläufig entsteht, den die meisten aber still für sich ausmachen, ist unumgänglich, denn in den meisten Jobs ist gerade Anpassungsfähigkeit und Flexibilität heute Grundvoraussetzung.

Welche weiteren Folgen steigende Überforderung und Leistungsdruck im schlimmsten Fall haben, darüber wird sich leider viel zu wenig Gedanken gemacht.

Depressionen, Essstörungen und Borderline sind im Jahr 2011 so gängig, wie die Dauerwelle in den 80ern. Der Missbrauch von Alkohol und Drogen als Mittel, um sich zu betäuben, ist ein Selbstgänger, und ein nicht intaktes familiäres Umfeld und die damit verbundenen Konflikte sind längst zum traurigen Alltag geworden.

Tatsächlich ist es so, dass aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis jeder Dritte eine Therapie hinter sich hat, jeder zweite auf der Suche nach seinem Platz in dieser Welt ist, und wirklich jeder hat schon eine oder mehrere Lebenskrisen hinter sich - und das mit Anfang zwanzig.

Obwohl der richtige Arbeitsalltag für uns noch nicht mal angefangen hat, lassen die Themen, über die wir reden, und die Art und Weise, über sie zu kommunizieren, vielmehr darauf schließen, dass wir ausgebrannte Mittvierziger nahe dem Burn-out sind.

Ich kenne kaum eine Altersgruppe, die selbstreflektierter und erwachsener bei der ganz persönlichen Suche nach ihrer Identität ans Werk geht, als unsere Generation, was sowohl seine guten als auch durchaus seine schlechten Seiten hat.

Machen wir uns also an die Arbeit, die Scherben unseres zerbrochenen Selbst wieder aufzusammeln und neu zusammenzupuzzeln, denn letztendlich kann uns die Verantwortung, über unsere Zukunft zu entscheiden, niemand abnehmen. Da ist es egal, wie sehr wir uns das manchmal wünschen.