Hamburg. Es war ein schauriger Fund, den ein Baggerfahrer am Dienstagvormittag vor dem Rathaus freilegte. Aus dem Boden ragte ein Sarg mit menschlichen Überresten. Mittlerweile ist klar: Hier ist man auf noch erhaltene Gräber vermutlich aus dem Mittelalter gestoßen. Außerdem wurden Mauerreste freigelegt. Damit hätte man rechnen müssen, ist doch das Gelände als eingetragenes Bodendenkmal registriert. Eigentlich hätten Archäologen hier vor Baubeginn Ausgrabungen durchführen müssen.
Gegen 10 Uhr war der Baggerfahrer auf den Sarg gestoßen. Weil auch noch eine „muffig“ riechende Flüssigkeit aus der Holzkiste floss, rückten die Polizei, die Umweltbehörde und die Feuerwehr an. Schnell war aber klar, dass es kein „Kriminalfall“ wird. Die Polizei ließ den Sarg, kaum dass er freigelegt worden war, im Boden stecken. Experten des Archäologischen Museums übernahmen.
Sarg gehört wahrscheinlich zu Dominikanerkloster
Der Sarg dürfte eines der Gräber sein, die rund um das Kloster und die Kirche St. Johannis lagen. Denn dort, wo sich heute der Rathausmarkt befindet, wurde um 1235 von den Dominikanern das von Graf Adolf IV. von Schauenburg gestiftete Kloster gegründet.
„Im nahen Umfeld solcher Kloster liegen gewöhnlich Begräbnisstätten“, weiß Hamburgs Landesarchäologe Rainer-Maria Weiss. Schon in den letzten Jahren waren bei Bauarbeiten in der Umgebung immer wieder Knochenreste gefunden worden. Von großem archäologischen Wert waren die Funde meistens nicht. Die Begräbnisstätten in dem Bereich sind durch zahlreiche Baumaßnahmen nach Abriss des Klosters 1840, aber auch durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg, weitgehend zerstört worden.
Landesarchäologe wurde nicht in Bauarbeiten eingebunden
Umso überraschter war man, dass jetzt die offenbar intakt gebliebenen Gräber entdeckt wurden. „Normalerweise hätte man im Vorwege Ausgrabungen durchführen müssen“, sagt der Landesarchäologe. Für ihn ist es unverständlich, dass das für sämtliche Ausgrabungen in Hamburg zuständige Museum nicht von den Bauarbeiten für den neuen, barrierefreien U-Bahn-Zugang informiert wurde. „Wir werden jetzt die Arbeiten begleiten und Funde dokumentieren müssen“, so Weiss. Dadurch werde es aber nicht zu Verzögerungen beim Bau kommen.
Der Sarg blieb, wo er ist. In den kommenden Tagen wird er komplett freigelegt. Erst dann wird man feststellen könne, wie alt er tatsächlich ist.
Fund könnte archäologisch interessant sein
Begräbnisse dürften in diesem Bereich schon sehr lange nicht mehr stattgefunden haben. Bereits im Zuge der von Martin Luther ausgelösten Reformation, die 1517 begann, war das katholische Kloster aufgelöst worden. Anschließend diente es von 1529 an als Gelehrtenschule und Stadtbibliothek.
1841 war das Kloster dann Geschichte – es wurde abgerissen, weil an dieser Stelle das Rathaus gebaut werden sollte. Die Kirche, verwahrlost und von den Franzosen geplündert, war bereits Jahre zuvor abgerissen worden. Sie hatte noch nach dem Auszug der Dominikaner als Kirche gedient. Deswegen könnten in der Umgebung nicht nur Mönche, sondern auch Hamburger Bürger beigesetzt worden sein.
Archäologisch könnte der Fund interessant sein. Dass „Schätze“, wie Ringe oder ähnliches Grabbeigaben entdeckt werden, ist allerdings eher unwahrscheinlich: Die Dominikaner waren ein sogenannter Bettelorden.
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