Bramfeld

Tote Frau vor Haustür abgelegt – was steckt dahinter?

| Lesedauer: 4 Minuten
Christoph Heinemann und Dorothea Benedikt

Wer den leblosen Körper vor das Wohnhaus legte, ist rätselhaft. Ein Nachbar machte schaurige Beobachtungen.

Hamburg.  Der Augenzeuge sagt, er habe nur eine Zigarette auf dem Balkon rauchen wollen. „Dann habe ich Geräusche gehört, es hat mehrfach geknallt.“ Er beobachtet am späten Sonntagabend, wie ein Mann aus der Tür des Wohnhauses gegenüber kommt, etwas hinter sich herschleppt. Zuerst denkt er an Müll. Aber was der Unbekannte trägt, sieht aus wie ein Arm. Er legt eine Leiche neben den Hauseingang, hinter einen Motorroller. Der Zeuge geht hinein, um die Polizei zu rufen. Danach ist der Mann weg.

Frau soll mehrere Stunden tot gewesen sein

Die Polizei rückt mit einem Großaufgebot von 15 Streifenwagen am Scheidingweg in Bramfeld an. Die Ermittler gehen zunächst von einem Tötungsdelikt aus. Bei der Verstorbenen handelt es sich um die 50 Jahre alte Ghanaerin Felicia O.; sie ist nicht in der ruhigen Wohnstraße gemeldet. Nach der ersten Einschätzung eines Notarztes soll sie eines natürlichen Todes gestorben sein. Der Leichnam wurde für eine Sektion in das Institut für Rechtsmedizin gebracht. Nach Abendblatt-Informationen gibt es Hinweise darauf, dass sie bereits mindestens mehrere Stunden tot war, als ihre Leiche in der Kälte abgelegt wurde.

Wer den leblosen Körper vor das Wohnhaus legte, ist dagegen rätselhaft – ebenso wie die Frage, warum. Die Polizisten nahmen noch in der Nacht zu Sonntag einen 55-jährigen Mann an dem Wohnhaus fest, überprüfte seine Personalien. „Es ergab sich in der Folge jedoch kein Tatverdacht gegen den Mann“, sagte Polizeisprecher Daniel Ritterskamp.

Bekam die Frau die nötige Hilfe?

In der Wohnung im zweiten Stock des Mehrfamilienhauses, in dem sich Felicia O. zuletzt aufgehalten haben soll und möglicherweise auch verstorben ist, trafen die Beamten einen 37-jährigen Nigerianer an. Auch gegen ihn wird im Zusammenhang mit dem Tod von Felicia O. bislang nicht ermittelt – er wurde jedoch wegen des Verdachtes des illegalen Aufenthaltes in Deutschland vorläufig festgenommen. Nicht bekannt ist bislang, in welchem Verhältnis der 37-jährige Mann und die Verstorbene zueinander standen.

Zunächst wartet die Polizei die Ergebnisse der Sektion in der Gerichtsmedizin ab. „Im Vordergrund steht das Todesermittlungsverfahren“, so Polizeisprecher Ritterskamp. Daraus könnten sich jedoch weitere Vorwürfe ergeben. Noch in der Nacht zu Montag betrieb die Polizei eine umfangreiche Spurensicherung, leuchtete den Bereich vor dem Haus mithilfe eines Generators und Leuchtballons aus, inspizierte die Wohnung im zweiten Stock. Nach Auskunft von Nachbarn soll die Frau seit Längerem krank gewesen sein; woran sie litt, ist jedoch unklar.

Ablegen der Leiche ist eine Ordnungswidrigkeit

Zentral ist die Frage, ob Felicia O. vor ihrem Tod allein war oder es Anwesende versäumt haben könnten, einen Notarzt zu rufen. Auch ein Tötungsdelikt kann noch nicht endgültig ausgeschlossen werden, am Körper der Frau wurden jedoch auch bei der ersten Betrachtung in der Gerichtsmedizin keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung festgestellt.

Das Ablegen der Leiche selbst ist nach erster Einschätzung der Ermittler dagegen keine Straftat. Grundsätzlich kommt laut Staatsanwaltschaft eine Störung der Totenruhe nach Paragraf 168 des Strafgesetzbuches infrage. Dafür muss ein Leichnam nach dem Gesetzestext aber „unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten“ entwendet oder daran „beschimpfender Unfug“ ausgeübt werden. Auch die Beschädigung von Grabstätten ist strafbar. Beides kommt in dem aktuellen Fall kaum infrage.

Generelle Pflicht zur ordnungsgemäßen Bestattung

Sollte ermittelt werden, wer den Leichnam der Frau an dem Haus abgelegt hat, ist jedoch ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit wahrscheinlich. Im Hamburger Bestattungsgesetz finden sich eindeutige Regeln, wie mit den Verstorbenen umzugehen ist. „Jede Leiche ist unverzüglich nach der Feststellung des Todes in eine Leichenhalle zu überführen“, heißt es dort. Und weiter: „Leichen sind in verschlossenen, feuchtigkeitsundurchlässigen, widerstandsfähigen Särgen ohne vermeidbare Unterbrechung zum Bestimmungsort zu befördern“.

Auch besteht eine generelle Pflicht zur ordnungsgemäßen Bestattung. Dass eine Leiche einfach im öffentlichen Raum abgelegt wird, ohne dass eine Gewalttat dahintersteckt, kommt nur sehr selten vor. Im September 1998 wurde etwa aus dem Eilbekkanal der leblose Körper von Inna Ch. (32) geborgen. Die Ukrainerin galt als Chefin eines Prostitutionsring. Bei der Obduktion der Toten wurden keine Spuren von Gewalteinwirkung gefunden. Ihr Tod blieb mysteriös und ist bis heute ungeklärt.

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