Das Flüchtlingskind randaliert. Jugendnotdienst verweigert zunächst die Aufnahme.

Hamburg. Beim Versuch, ein Auto zu stehlen, haben Hamburger Polizisten einen erst elf Jahre alten Jungen gestellt. Anschließend versuchten die Beamten gut 17 Stunden lang, den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aus Marokko in die Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) zu übergeben. Dort wurde eine Übernahme des aggressiven Jungen mit Hinweis auf die wichtigere Sicherheit der Mitarbeiter abgelehnt.

Um kurz nach drei Uhr hatten am frühen Sonntagmorgen Polizisten der Wache Eimsbüttel den Jungen gestellt. Schon beim Transport zur Wache randalierte der Elfjährige so sehr, dass er gefesselt werden musste. Unter anderem hatte er mehrfach versucht, sich zu verletzen. Weil die Identität des Kindes unklar war, kam es ins Polizeipräsidium. Am Morgen mussten Polizisten der Wache dort anrücken, weil der Junge randalierte. Der Grund: Die Polizei wollte ihm ein gestohlenes Handy, das der Elfjährige bei sich hatte, nicht wiedergeben.

Als der Junge trotz Aufforderung das Präsidium nicht verließ, wurde er erneut in Gewahrsam genommen. Diesmal wurde der Elfjährige in einen Peterwagen gesetzt und zum KJND gefahren. Dort wurde das Kind jedoch nicht aufgenommen. Die Fahrt ging weiter zur Wache Winterhude. Von dort kontaktierte man erneut den KJND. „Die Abholung wurde abgelehnt“, heißt es in einem Bericht. Stattdessen erfuhren die Polizisten, dass sie den elf Jahre alten Jungen entlassen könnten, sobald er sich „beruhigt habe“. Das tat das Kind jedoch nicht, sondern schlug seinen Kopf gegen die Wand, weil es das gestohlene Handy wiederhaben wollte.

Gegen 16.15 Uhr wurde der Elfjährige aus der Wache entlassen. Unmittelbar darauf demolierte der Junge einen Peterwagen. Deswegen wurde er erneut in Gewahrsam genommen. Der Versuch der Polizei, das Kind wegen Eigen- und Fremdgefährdung in die Psychiatrie einweisen zu lassen, scheiterte. Nach der Schilderung der Ereignisse wurde seine Verhaltensweise als „Trotzreaktion“ eingestuft, die eine Einweisung nicht begründe. Ein neuer Versuch der Kontaktaufnahme mit dem KJND gegen 16.45 Uhr scheiterte wegen des dortigen Schichtwechsels. Eine halbe Stunde später meldete sich der KJND, um erneut, mit Hinweis auf die Sicherheit der Mitarbeiter, die Aufnahme des Jungen zu verweigern. Weitere Telefonate folgten. Schließlich erklärte man sich beim KJND bereit, den Jungen zu nehmen. Abgeholt wurde er nicht. Im Peterwagen brachte die Polizei das Kind in die Feuerbergstraße, um es um 20.15 Uhr zu übergeben.

Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), stufte den Vorgang als „skandalös“ ein. „Hier wird auf die Polizei eine Aufgabe abgewälzt, für die die Sozialbehörde verantwortlich ist, die ja die Fürsorgepflicht für die nicht vorhandenen Eltern hat“, sagt Lenders. „Es ist der Bevölkerung gegenüber unverantwortlich, dass sich eine Behörde aus ihrer Verantwortung stiehlt und für 17 Stunden Polizisten gebunden sind, die andere Aufgaben haben.“

„Wenn eine der ersten Informationen für neu ankommende minderjährige Flüchtlinge ist, dass in Deutschland bis zum 14. Lebensjahr alles erlaubt ist, ohne Folgen für Tat und Täter, dann wird von manchem diese Unantastbarkeit bis in letzter Konsequenz ausgenutzt“, sagt Kriminologe Wolf Kemper.