65-Jähriger wird mit Schäden an der Wirbelsäule ins Krankenhaus St.Georg eingeliefert. Ursache des Unfalls noch unklar. Weg hätte gesperrt sein müssen

Neustadt. Es geschah in Sekundenbruchteilen: Am Gebäude des Casino Esplanade ist am Dienstagmittag ein Gerüst eingestürzt – gerade als ein 65 Jahre alter Radfahrer darunter entlangfuhr. Der Mann erlitt schwerste Verletzungen an der Wirbelsäule.

Jürgen Sch. radelt am Dienstag gegen 11.30Uhr von der Alster kommend auf dem Fußweg an der Esplanade in Richtung Stephansplatz. Dort haben Arbeiter begonnen, einen Gerüsttunnel für Fußgänger und Radfahrer aufzustocken – an dem Gebäude sollen unter anderem der Taubenschutz und die Elektrik erneuert werden. Auf Höhe Esplanade 23 passiert es: Vermutlich weil schlampig gearbeitet worden ist, kippen mehrere Stahlträger um, Jürgen Sch. wird bei der Durchfahrt hart am Rücken getroffen. „Ich habe ein Scheppern und einen lauten Schrei gehört“, berichtet die Mitarbeiterin einer dort ansässigen Zahnarztpraxis dem Abendblatt.

Der 65-Jährige, der eine schwere Verletzung am Rücken erlitten hat, kommt mit einer speziellen Trage ins Krankenhaus St.Georg. Dort diagnostizieren die Ärzte ein Spinaltrauma – je nach Schwere der Verletzung können dadurch sogar Lähmungen entstehen. Die Spielbank reagierte bestürzt: „Wir sind sehr betroffen, es tut uns sehr leid“, sagte Sprecherin Gunda Windberger.

Am Mittag begutachteten Mitarbeiter des Amts für Arbeitsschutz die Unfallstelle. Nach ihrem vorläufigen Ergebnis war „das Gerüst weder fachgerecht aufgebaut noch fachgerecht abgesichert.“ Die fehlerhafte Montage sei neben heftigen Winden und einer Gewichts-Überlastung einzelner Segmente eine der häufigsten Ursachen für Unfälle im Gerüstbau, sagte Werner Mayer von der Bundesinnung Gerüstbau. „Die Frage ist hier doch: Was hat ein Mensch unter dem Gerüst verloren, wenn es sich noch im Bau befunden hat?“

Insgesamt kommt es in Hamburg zu rund 60 meldepflichtigen Unfällen je 1000 Bauarbeiter pro Jahr. Nicht selten werden diese Unfälle durch Schäden an den Baugerüsten verursacht. Erst vor sechs Wochen wurde auf der IKEA-Baustelle an der Großen Bergstraße ein Arbeiter durch ein einstürzendes Gerüst in die Tiefe gerissen, der 44-Jährige erlitt einen offenen Unterschenkelbruch. Keine vier Wochen vorher begrub ein Baugerüst an der Müggenkampstraße (Eimsbüttel) einen Arbeiter unter sich. Die Angestellten waren gerade dabei, das Gerüst abzubauen, als eine Bohle brach. Der Verletzte erlitt eine Fleischwunde. Vor drei Jahren brach in der Elbphilharmonie eine verschimmelte Bohle, ein 44-Jähriger stürzte in den Tod – kurz nachdem die Baustelle als eine der sichersten Hamburgs ausgezeichnet worden war. Anfang Juni hat das Gericht die zwei Mitarbeiter der Gerüstbaufirma allerdings vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

Die Polizei, die am Unfallort mehrere Arbeiter vernommen hat, ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Auf Anfrage des Abendblattes hieß es von Seiten der in Allermöhe ansässigen Gerüstbaufirma: „Kein Kommentar.“